Anna Maria Böhringer bekommt den ersten von vier «Stolpersteinen», die im November in Basel verlegt werden. Die Steine sollen an Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Böhringer war zwar Schweizerin, ihre Staatsbürgerschaft verlor sie aber, nachdem sie einen Deutschen geheiratet hatte. Ihre Bemühungen, die Schweizer Staatsbürgerschaft erneut zu erhalten, blieben erfolglos. Dies vor allem darum, weil sie einen «unmoralischen Lebenswandel» führte, wie die Basler Regierung in einem Schreiben an die Basellandschaftlichen Behörden betonte.
Am 9. November 1939 wurde Böhringer dann von der Gestapo verhaftet und ins Konzentrationslager Ravensbrück gebracht. Dort überlebte sie gut fünf Jahre, schreibt der Verein Stolpersteine in einer Kurzbiografie von Anna Maria Böhringer. Am 20. Februar 1945 starb sie. Auch ihr Sohn, geboren und aufgewachsen in Basel, wurde Opfer der Nazis. Er verweigerte den Kriegsdienst und wurde im August 1940 im KZ Mauthausen ermordet.
Für Anna Maria Böhringer wird ein «Stolperstein» an der Erlenstrasse 14 in den Boden gelassen. Es ist ihre letzte Adresse in der Schweiz, bevor sie in den Zugangsakten des Konzentrationslagers Ravensbrück auftaucht. «Böhringer, geb. Bürgi, Anna, 30.11.85, asozial», steht dort geschrieben.
«Stolperschwelle» für 30'000 Abgewiesene
Basel-Stadt mit seiner Landgemeinde Riehen ist allerdings in einer besonderen Situation. An der Landesgrenze wurden zuweilen ganze Gruppen schutzsuchender Jüdinnen und Juden abgewiesen und damit in den fast sicheren Tod nach Nazideutschland zurückgeschickt. Bevor die «Stolpersteine» für einzelne Menschen verlegt werden, wird darum eine sogenannte «Stolperschwelle» am Grenzübergang Riehen-Lörrach eingeweiht. Sie soll an die geschätzten 30'000 Schutzbedürftigen erinnern, die während des Naziregimes in die Schweiz flüchten wollten, von den Schweizer Behörden aber abgewiesen wurden, obwohl sie in Lebensgefahr steckten.
Es kam tausendfach vor, dass bedrohte jüdische Flüchtlinge an der Grenze abgewiesen wurden.
Ralph Lewin, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) und ehemaliger Basler Regierungsrat, findet es deshalb wichtig, dass die «Stolpersteine» auch in der Schweiz verlegt werden: «Es kam tausendfach vor, dass bedrohte jüdische Flüchtlinge an der Schweizer Grenze abgewiesen wurden», sagt er. «Auch wurden Menschen, die zuvor in die Schweiz geflüchtet waren, abgeschoben und dann letztlich von den Nazis ermordet. Solche Fälle gab es auch in Basel.» Die «Stolpersteine» und die «Stolperschwelle» sollen auch ein Aufruf sein, Zivilcourage zu zeigen, wenn Minderheiten diskriminiert oder ausgegrenzt würden, so der frühere Basler Regierungsrat Ralph Lewin weiter.