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Präventive Wolfabschüsse Das sind die wichtigsten Argumente der Befürworter und Gegner

Der Bundesrat und eine Mehrheit des Parlaments wollen den Schutz des Wolfes lockern. Umweltorganisationen sind vehement dagegen.

Heute dürfen Wölfe nur geschossen werden, wenn sie die Scheu vor den Menschen verloren oder zu viele Nutztiere gerissen haben. Die Grenze liegt bei 25 getöteten Schafen oder Ziegen innerhalb eines Monats. Mit einem Ja zum neuen Jagdgesetz würde sich das ändern: Die Kantone hätten die Möglichkeit, Wölfe präventiv abzuschiessen, bevor sie Schäden anrichten.

Reinhard Schnidrig, Leiter der Sektion Wildtiere beim Bundesamt für Umwelt (Bafu), erklärt diese Änderung so: «Es ist ganz wichtig, dass die Wölfe scheu bleiben, dass sie die natürliche Scheu vor Menschen und Nutztierherden behalten. Es braucht eine Möglichkeit, Eingriffe zu machen, bevor die Konflikte gross sind. Die Kantone brauchen hier frühzeitig Handlungsspielräume.»

Dieses neue Gesetz schiesst weit übers Ziel hinaus.
Autor: Sara Wehrli Pro Natura

Wegen dieser präventiven Abschüsse haben Umweltorganisationen das Referendum gegen das neue Gesetz ergriffen. Sara Wehrli von Pro Natura sagt: «Dieses neue Gesetz schiesst weit übers Ziel hinaus.» Denn schon mit dem jetzigen Gesetz könnten auch geschützte Arten notfalls reguliert werden. «Neu soll das möglich sein, ohne vorherige Schäden und ohne vorherige Präventionsmassnahmen. Das können wir uns angesichts der anstehenden Biodiversitätskrise schlichtweg nicht mehr erlauben.»

Trotz weniger Wölfen mehr tote Schafe?

Pro Natura befürchtet, dass künftig deutlich mehr Wölfe geschossen würden, und dass die Zahl der gerissenen Schafe trotzdem steigen statt sinken könnte. Denn bei Abschüssen könnten die Wolfsrudel zerfallen.

Und unerfahrene Jungwölfe suchten im Gegensatz zu intakten Rudeln eher leichte Beute wie Schafe, erklärt Wehrli: «Ein Wolfsrudel jagt erfolgreich Grosswild, Hirsche, Rehe, Gämsen, das geht erfahrungsgemäss weniger an Nutztiere, erst recht, wenn diese entsprechend geschützt sind.»

Wir wollen keine Wölfe morgens um 9 Uhr mitten im Dorf.
Autor: Reinhard Schnidrig Bundesamt für Umwelt

Das sieht Schnidrig anders: Abschreckung sei nötig. Nur durch Abschüsse könne es auch künftig ein Nebeneinander von Wolf und Mensch geben: «Wir wollen keine Wölfe morgens um 9 Uhr mitten im Dorf. Es braucht eine Abgrenzung. Dort, wo die Siedlungen sind, wo der Mensch zuhause ist, da braucht es eine Scheu der Wölfe, damit sie im Wald und am Berg bleiben.»

Soll der Wolf in Zukunft leichter abgeschossen werden können? Die Abstimmung am 27. September wird es zeigen.

HeuteMorgen, 23.07.2020, 06:07 Uhr

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