- Im Kanton Waadt übt künftig eine neue Kontrollinstanz die Aufsicht über die Justiz aus.
- Die Stimmberechtigten haben der Einführung des unabhängigen Justizrats am Sonntag mit grosser Mehrheit zugestimmt.
Aufsichtsgremium über die Justiz
Kanton Waadt: Verfassungsänderung zur Schaffung eines Aufsichtsgremiums über die Justizbehörden
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JA
148'225 Stimmen
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NEIN
60'215 Stimmen
148'225 (65.2 Prozent) Stimmberechtigte legten ein Ja in die Urne, 60'215 (26.5 Prozent) ein Nein. Die Stimmbeteiligung lag bei 51.4 Prozent. Die SVP und die Linksaussen-Parteien lehnten die Vorlage ab, die anderen Parteien befürworteten sie.
Der neunköpfige Justizrat (Conseil de la magistrature) soll ab Anfang 2023 die Gewaltenteilung gewährleisten, indem er den Einfluss der Politik auf die Aufsicht über die Justiz eindämmt. Bislang hatten fünf Aufsichtsbehörden und sechs parlamentarische Organe ein Auge auf die Justiz des Kantons Waadt geworfen.
Mit dem neuen Aufsichtsorgan verliert der Grosse Rat zwar an Kompetenzen, behält aber die Oberaufsicht über seine thematische Kommission für Rechtsangelegenheiten bei.
Ausserdem gibt der Justizrat dem Parlament bei der Wahl der kantonalen Richter, des Generalstaatsanwalts und seiner Stellvertreter eine Vormeinung ab. Zusammengesetzt wird er aus zwei Mitgliedern des Kantonsgerichts, einem erstinstanzlichen Richter, zwei Mitgliedern der Staatsanwaltschaft, einem ehemaligen Präsidenten der Rechtsanwälte des Kantons, einem Anwalt und zwei Mitgliedern der Zivilgesellschaft.
Der Grosse Rat wählt die von den jeweiligen Behörden oder Institutionen vorgeschlagenen Kandidatinnen und Kandidaten für eine Amtszeit von fünf Jahren.
Mordfall Marie als Auslöser
Forderungen nach einem neuen Aufsichtsorgan über die Justiz waren im Kanton Waadt erstmals im Nachgang zum Mord an der 19-jährigen Marie in der Nähe von Payerne 2013 laut geworden. Auslöser waren Spannungen zwischen der Judikative und der Legislative.
Nach einem langwierigen Prozess mit zahlreichen Beratungen hatte das Kantonsparlament der Schaffung eines Justizrates Ende Mai dieses Jahres mit einer Zweidrittelmehrheit zugestimmt. Zu einer Volksabstimmung kam es, weil die Einführung dieses neuen Aufsichtsorgans einer Verfassungsänderung bedarf.
Kritik von rechts
Bis zuletzt hatten die SVP, die radikale Linke, die Freien Wähler und einige aufmüpfige FDP-Vertreter die Einführung der neuen Kontrollinstanz kritisiert und abgelehnt. Sie bemängelten seine Funktion und Zusammensetzung, seine Schwerfälligkeit, seine Kosten sowie den Kompetenzverlust des Kantonsparlaments. Die Gegner waren allgemein der Ansicht, dass das derzeitige System gut funktioniere und die Effizienz der Waadtländer Justiz anerkannt werde.
Die Befürworter der Vorlage (FDP, SP, Grüne und Grünliberale) waren dagegen der Meinung, dass das derzeitige System erleichtert und vereinfacht werden solle. Es sei nicht transparent und zu komplex. Die Zuständigkeiten seien zudem nicht aufeinander abgestimmt. Das Waadtländer Modell orientiere sich ausserdem weitgehend an der Praxis anderer Westschweizer Kantone, in denen ein solches Aufsichtsorgan über die Justiz bereits existiert.