Es geht um 250 Millionen Franken jährlich: Dieser Betrag entginge dem Bund, würde die Stempelabgabe abgeschafft, über die abgestimmt wird. Diese Sichtweise sei zu statisch, sagt Finanzminister Ueli Maurer. Denn längerfristig führten Steuersenkungen letztlich zu Mehreinnahmen.
SP-Nationalrätin Jacqueline Badran widerspricht: In den letzten 25 Jahren habe die Schweiz schon stetig Steuern für Unternehmen und auf Kapital gesenkt, ohne irgendeinen volkswirtschaftlichen Effekt.
Rentnerinnen, Konsumenten, Angestellte müssten dem Staat mehr abliefern, weil Firmen und Grossaktionärinnen entlastet worden seien, kritisiert Badran. Was der Finanzminister wiederum bestreitet: Gerade für Private seien in vielen Kantonen die Steuern gesenkt worden – eben dank diesen Steuersenkungen für Firmen.
Geht diese Rechnung auf? Führen Steuersenkungen längerfristig tatsächlich zu Mehreinnahmen für den Bund? Wirtschaftsprofessor Marius Brülhart von der Universität Lausanne differenziert: «Steuersenkungen generieren in der Regel durchaus positive wirtschaftliche Impulse. Aber der Traum jedes Finanzministers, jeder Finanzministerin, dass man die Steuern senken und dabei Mehreinnahmen erzeugen kann, erfüllt sich leider sehr selten.»
Der Traum jedes Finanzministers, jeder Finanzministerin, dass man die Steuern senken und dabei Mehreinnahmen erzeugen kann, erfüllt sich leider sehr selten.
Starke positive Impulse sieht hingegen eine Studie im Auftrag des Bundes, wenn neben der Stempelabgabe auch noch weitere Steuern abgeschafft würden. Aber auch nur schon bei einer Abschaffung der Stempelabgabe würden die Einnahmeausfälle beim Bund längerfristig mehr als kompensiert, so die Studie – also nach zehn Jahren. Das sei schon möglich, sagt Wirtschaftsprofessor Brülhart. Voraussagen auf zehn Jahre hält er allerdings für eher spekulativ.
Für FDP-Fraktionspräsident Beat Walti indes ist klar: «Man kann ja die Einnahmen verfolgen und sehen, dass sich insbesondere die Unternehmenssteuererträge positiv entwickelt haben, insofern sind solche Effekte keine Theorie, sondern was, das man messen kann.»
Was war zuerst: Das Huhn oder das Ei?
Tatsächlich haben sich in den letzten 20 Jahren die Gewinnsteuererträge von Firmen beim Bund mehr als verdoppelt – just in der Zeitspanne also, in der Unternehmenssteuern verschiedentlich gesenkt wurden. Nur sei eben nicht so klar, wie das alles zusammenhänge, sagt Brülhart. «Es ist wie die Frage vom Huhn und dem Ei. Sind die Einnahmen gestiegen, weil man die Steuern gesenkt hat, oder wurden sie Steuern gesenkt, weil die Wirtschaft sich gut entwickelt hat? Die Kausalität kann in beide Richtungen gehen. Es ist unklar, welcher Mechanismus dominiert.»
Ohnehin sei es falsch, den Blick nur auf Steuererträge oder den wachsenden Haushalt des Bundes insgesamt zu richten, sagt Badran. Auch sie bestreitet nicht, dass zum Beispiel die erste Unternehmenssteuerreform von 1998 Firmen in die Schweiz gelockt habe – inklusive Angestellte. «Dann schrien die gleichen, die diese Steuerpolitik beschlossen haben: Wir haben zu viel Zuwanderung!»
Interessant sei aber, was das mit dem Bruttoinlandprodukt (BIP) gemacht habe, sagt sie. «Das ist nicht gestiegen. Das heisst, der Wohlstand ist nicht gestiegen, aber wir haben ein aufgeblasenes Wachstum produziert, und das ist keine kluge Wirtschaftspolitik.»
Walti widerspricht: Auch das BIP, also die Wirtschaftsleistung pro Kopf, sei in den letzten Jahren gestiegen. Dieses sei aber sowieso die falsche Messgrösse. Entscheidend sei: Der Staat habe dank Steuersenkungen mehr Mittel zur Verfügung und setze diese mit wachsender Bevölkerungszahl auch immer effizienter ein.