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Abschaffung der Stempelsteuer Nationalrat versenkt weitergehende Steuersenkungsvorlage

Überraschung im Nationalrat: Fast einstimmig, mit 182 Stimmen zu 1, hat er eine Steuersenkungsvorlage beerdigt.

Stempelsteuer: Unter diesen leicht verstaubt anmutenden Begriff fällt eine Reihe ganz verschiedener Abgaben. Zahlen müssen sie etwa Firmen, die sich frisches Eigenkapital besorgen. Oder eine Aktienhändlerin, die Aktien verkauft. Oder jemand, der eine Haftpflichtversicherung abschliesst. Gegen die Abschaffung der Stempelsteuern auf Eigenkapital bei Firmen wird die SP ihr Referendum nächstens einreichen.

Heute nun hätte im Nationalrat Teil zwei der Abschaffung der Stempelsteuern folgen sollen, da ging es unter anderem um die Abgabe auf inländische Wertschriften oder auf Lebensversicherungen. Aber davon will der Rat nun nichts mehr wissen und beerdigt die Vorlage gleich ganz. Den entsprechenden Antrag gestellt hatte Mitte-Nationalrat Leo Müller.

Seine Interpretation: «Die Einsicht ist eingekehrt im Parlament, dass es nicht alle Steuerausfälle verleiden mag. Wir haben Corona-Schulden und es gibt andere Projekte, die ein viel besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis haben als die Vorlage, die heute versenkt wurde.»

Die Bürgerlichen haben tiefgefrorene Füsse bekommen.
Autor: Roger Nordmann Nationalrat (SP/VD)

Auch der Bundesrat lehnte diese Steuersenkungsrunde ab. Eine Reihe anderer Steuersenkungsprojekte sei unterwegs, sagte Finanzminister Ueli Maurer im Rat. Darauf solle man sich jetzt konzentrieren. «Im Moment haben wir weder die finanziellen Mittel dazu, noch ist die Wirkung dieser Reform entscheidend für den Wirtschaftsstandort.»

Fast einstimmig beerdigt der Nationalrat damit eine Vorlage, die Steuererleichterungen gebracht hätte. Das hat Seltenheitswert.

Kalte Füsse bei den Bürgerlichen?

Die Linke verbucht die Sache als Sieg für sich. Für SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann steht fest, dass das Referendum bereits als Drohung wirkt. «Es ist ganz einfach: Die Bürgerlichen haben tiefgefrorene Füsse bekommen.» Die Angst vor dem anstehenden Abstimmungskampf zu Stempelsteuer Teil Eins habe die Bürgerlichen also dazu bewegt, lieber die Finger zu lassen von Stempelsteuer Teil Zwei. «Es wäre doch schön: Ein Referendum, das zwei dumme Vorlagen abschiesst statt nur eine.»

Schockstarre bei den Bürgerlichen? Ach was, sagt FDP-Fraktionspräsident Beat Walti. «Meine Füsse sind sehr warm.» Er blicke der Abstimmung zum ersten Teil sehr zuversichtlich entgegen. Dabei musste die FDP einen Sprung über einen recht langen eigenen Schatten wagen.

Es kann gut sein, dass zumindest gewisse Elemente der Stempelsteuer-Vorlage später wieder aufgenommen werden.
Autor: Thomas Aeschi Nationalrat (SVP/ZH)

Denn die Idee zur Abschaffung von Stempelsteuern hatte ursprünglich die FDP selber in einem Vorstoss lanciert – im Jahr 2009. Stets hielt sie daran fest – heute nun rief sie zur Beerdigung eines Teils der eigenen Vorlage auf. Walti erklärt: «Die Idee hinter dieser Empfehlung ist salopp gesagt, die Fünfe gerade sein zu lassen.» Denn ein guter Teil der FDP-Forderung, Stempelsteuern abzuschaffen, sei bereits erfüllt, so Walti. Und eine Fortsetzung könne folgen – einfach später.

Baldige Auferstehung von den Toten?

Walti spricht die OECD-Steuerreform an. Diese soll einen Mindeststeuersatz für grosse international tätige Firmen bringen. Diese müssten damit in der Schweiz je nachdem mit höheren Steuern rechnen.

Auch SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi begründet das Nein der SVP zu dieser Steuervorlage damit: «Im Rahmen dieses OECD-Projektes, das zu höheren Steuern in der Schweiz führen wird, muss man schauen, wie man anderen Orten Firmen entlasten kann, damit es unter dem Strich nicht zu einer Mehrbelastung kommt.» Deshalb könne es gut sein, dass zumindest gewisse Elemente der Stempelsteuer-Vorlage später wieder aufgenommen würden.

Mit anderen Worten: Was heute beerdigt wurde, kann bald schon wieder auferstehen.

Rendez-vous, 30.09.2021, 12:30 Uhr

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