Die Startup-Unternehmerin Esther Cahn hat kürzlich frisches Geld aufgenommen für ihre Firma. Sie findet die Stempelsteuer völlig fehl am Platz. «Man hat als Startup seine Finanzierungsrunde. Das ist ein Riesen-Aufwand, ein 50 bis 60 Prozent Job über sechs bis neun Monate.»
Am Ende sei man erfolgreich, habe die ganze Administration erledigt. «Und dann kommt der Staat und sagt: Das ist super, dass ihr es geschafft habt. Wir hätten gerne ein Prozent. Das ist einfach im falschen Moment.»
Erst die Abgabe, dann der Gewinn
Cahns Firma heisst Signifikant und ist im Technopark Luzern einquartiert. Sie analysiert mit künstlicher Intelligenz Werbekampagnen, mit dem Zweck, die Wirkung der Kampagnen zu messen und dann zu verbessern. Erste Kunden hat sie schon. Nun soll sie weiter wachsen.
Der Geldabfluss tut natürlich schon weh.
Was Jungunternehmerinnen wie Cahn stört: Bereits bei der Kapitalaufnahme, also lange bevor die Firma Gewinn schreibt, muss sie mehrere tausend Franken abliefern. Denn ein Prozent des frischen Kapitals geht an den Bund. «Überall, wo man noch einen Franken sparen kann, macht man das, damit man das Geld in die Entwicklung, ins Wachstum stecken kann. Und da tut es natürlich schon weh, wenn Geld plötzlich abfliesst.» Geld, das kein Gewinn sei, sondern eine Investition.
«Das tut definitiv weh», so Cahn. Zwar ist jeweils die erste Million Firmenkapital steuerfrei, doch rasch wachsende Startups kämen mit einer Million nicht weit, sagt Stefan Kuhn von der Beratungsfirma KPMG.
Positives Signal an Investoren
Es komme häufig vor, dass noch relativ kleine Firmen betroffen seien von der Steuer. Der Experte findet es darum gut, dass der Bundesrat und die Parlamentsmehrheit die Abgabe abschaffen wollen. Das sei ein wichtiges Signal. «Ich denke, psychologisch ändert sich etwas. Es ist ein Zeichen an die Industrie, dass die Schweiz Startup-freundlicher wird. Und das ist etwas, das man in den Markt tragen kann, an ausländische Investoren.» Die rund 250 Mio. Franken Mindereinnahmen im Jahr seien für den Bund verkraftbar.
Das eine Prozent Abgabe soll das Problem sein?
Anders sieht das die Linke, die das Referendum gegen die Abschaffung der Stempelsteuer ergriffen hat. Niemand könne im Ernst behaupten, ein einziges Prozent Stempelsteuer gefährde aufstrebende junge Unternehmen, sagt SP-Co-Präsident und AG-Nationalrat Cédric Wermuth. Die Realität sei einfach: «Wenn Sie Eigenkapital beschaffen, dann betragen die Gebühren, die Sie bezahlen müssen, beispielsweise bei den Banken, normalerweise zwischen drei und sechs Prozent.»
Andere Kosten bisweilen höher
Hinzu kämen horrende Anwaltskosten. «Und jetzt soll das eine Mini-Prozent Stempelabgabe das Problem sein, das zu bezahlen? Das ist einfach nicht ehrlich», so Wermuth. Ausserdem müssten beim Einkaufen auch alle Mehrwertsteuer bezahlen, ob sie nun viel Geld in der Tasche hätten oder wenig. «Wenn sie wenig oder kein Geld verdient haben, und sie müssen Essen kaufen, dann zahlen sie trotzdem Mehrwertsteuer.»
Sie sei ja auch bereit, Steuern zu zahlen, erwidert Jungunternehmerin Cahn. Aber zuerst müsse man investieren. «Mit jedem Franken, der in einem Startup bleibt, wird gearbeitet, mit dem wird vorwärtsgemacht. Der fliesst in die Unternehmensentwicklung, und das Geld kommt dann als Gewinn zurück. Es kommt dann halt einfach ein bisschen später.»
Und auf diesem Gewinn wäre dann auch eine Steuer fällig. Das Beispiel zeigt: Bei der Abstimmung über die Abschaffung der Stempelsteuer geht es auch ums Timing. Soll der Staat schon früh Steuern erheben oder erst später, wenn vielleicht ein Gewinn herausspringt beim Unternehmen?