Schluss mit dem mühsamen Schleppen des Altglases bis zur Recyclingstelle: In der Stadt Bern sollen künftig die meisten Abfälle direkt vor der eigenen Haustür deponiert werden können. Dazu möchte die Stadt ein Farbsack-Trennsystem einführen. Das System wurde mittels Pilotversuch getestet und soll nun auf das ganze Stadtgebiet ausgeweitet werden. Das Stadtberner Stimmvolk entscheidet am 28. November.
Wie das System funktioniert
Es gibt statt einen, insgesamt fünf verschiedenfarbige Abfallsäcke:
- Violett für Glas
- Gelb für Kunststoffe
- Grau für Alu/Büchsen/Altmetall
- Gelb-Blau für PET
- und – das ändert sich nicht – Blau für den Hauskehricht.
Die Abfälle werden anschliessend in zwei verschiedenen Containern, die sich vor dem Haus befinden, gesammelt: Der Hauskehricht landet in einem Container, der wöchentlich geleert wird. Die Farbsäcke werden zusammen mit losem Papier und Kleinkarton im Farbsack-Container entsorgt, der alle zwei Wochen geleert wird.
Beim Grüngut gibt es keine Änderung: Es kann weiterhin freiwillig in einem Container gesammelt werden. Die Nutzung der Farbsäcke ist freiwillig, die bisherigen Entsorgungsmöglichkeiten bleiben bestehen.
Die Einführung des neuen Systems erfordert einen Investitionskredit von 7.68 Millionen Franken sowie einen Verpflichtungskredit für die einmaligen Einführungskosten von 3.04 Millionen Franken. Regierung und Parlament haben diesen Kosten und der Einführung des neuen Systems bereits zugestimmt.
Die Absicht dahinter
Das neue System löse gleich mehrere Probleme, so die Stadt. Die bisherigen Sammelstellen für Spezialabfälle seien permanent überfüllt, zudem brauche es einen hohen Reinigungsaufwand seitens der Stadt. Die teilweise schweren Abfallsäcke stellten auch eine körperliche Belastung für die Mitarbeitenden der Abfuhr dar. Container werden hingegen – anders als Säcke – maschinell durch das Abfuhrfahrzeug geleert, was entlastet.
Zudem müssten die Bernerinnen und Berner ihre Abfälle nicht mehr weit schleppen und könnten Glas, Alu und PET entsorgen, wann sie möchten.
Die Gegenargumente
Vor allem von bürgerlicher Seite kommt aber Kritik. Das Gegen-Komitee, namentlich der SVP, FDP und der Mitte-Partei, warnt vor einer «Container-Wüste». Die Stadt werde zugestellt mit Containern.
Zudem sei es nicht überall möglich, Container aufzustellen. Hier verweisen die Stadtverantwortlichen jedoch auf geplante, kleine Sammelstellen. Die Gegnerinnen stören sich auch an den hohen Kosten. Sie möchten lieber die bestehenden Entsorgungsstellen ausbauen.
Wie hoch ist der ökologische Nutzen?
In der Fachwelt verfolgt man das Vorhaben in Bern interessiert. Nur in Schweden und Frankreich wird in ähnlicher Weise Abfall zu Hause getrennt und von der Abfuhr direkt abgeholt.
Laut Abfallexperten könnten bald andere Schweizer Städte nachziehen. Für Urs Baier ist es begrüssenswert, dass das System die grossflächige Plastiksammlung machbar mache. «Wenn hier die Recyclingquote erhöht wird, ist das ein grosser Schritt», so der Professor für Umwelttechnologie.
Rainer Bunge, Professor für Umwelttechnik an der Fachhochschule Ostschweiz, sieht den ökologischen Nutzen aber vor allem darin, dass die Leute weniger zum Entsorgungsort fahren. «Das schenkt ein, der CO₂-Ausstoss kann deutlich verringert werden». Aber: Die grosse Umweltbelastung werde nicht durch den Abfall ausgelöst. «99 Prozent des Umweltschadens erfolgt durch die Herstellung und den Konsum eines Produkts – das Wegwerfen stellt nur einen kleinen Teil dar.»