Die Initiative zur Kapitalbesteuerung scheiterte gestern an der Urne. Eine stärkere Besteuerung Wohlhabender ist zumindest vorläufig vom Tisch. Die Initianten hätten es ihren Gegner sehr leicht gemacht, sagt Marius Brülhart, Ökonomieprofessor.
SRF News: Sie befassen sich als Ökonom wissenschaftlich mit Steuerfragen. Sehen Sie Schwächen in der Konstruktion dieser 99-Prozent-Initiative, die zum Scheitern beigetragen haben dürften?
Ja, da gibt es ganz klar Schwächen. Die Gegner haben zwar stark übertrieben bei den Horrorszenarien, was da alles passieren würde, wenn die Initiative angenommen würde. Aber es stimmt schon, die Initianten haben ihnen dieses Spiel leicht gemacht.
Bei der Abstimmung über die Erbschaftssteuer vor sechs Jahren war noch eine Klausel für Familienbetriebe drin.
Vor allem haben sie wahrscheinlich vergessen, noch einen Passus hineinzuschreiben, dass bei der Übergabe von Familienbetrieben gewisse Sonderregeln gelten sollten. Bei der Erbschaftssteuer-Initiative vor sechs Jahren war noch so eine Klausel drin. Diese Initiative ist zwar auch hochkant gescheitert. Aber trotzdem war das dann nicht mehr so ein grosses Thema. Hier hingegen war das für die Gegner quasi ein Penalty.
Die Linke sagt, die Wirtschaft profitiere seit Jahren von immer neuen Steuererleichterungen. Dieser Trend müsse gestoppt werden. Wie schätzen Sie das ein?
Ich bin nicht Politiker. Es ist nicht an mir zu sagen, ob der Trend gestoppt werden sollte. Es stimmt, dass der Trend in den letzten Jahren seit der Jahrtausendwende zu einer Erleichterung der Besteuerung der Kapitaleinkommen geht. Erbschaftssteuern wurden reduziert, Vermögenssteuern wurden in den meisten Kantonen gesenkt. Auch Unternehmenssteuern wurden in Steuerreformen gesenkt.
Die kommenden Vorlagen gehen alle in die Richtung, das Kapital –wenn man diesen Ausdruck gebrauchen möchte – weiter zu entlasten.
Das Kapital ist in diesem Jahrhundert bisher in der Schweiz steuerlich sehr gut weggekommen. Ob das wünschbar oder nicht wünschbar ist, wie gesagt, das kann man nicht wissenschaftlich beurteilen. Nun stehen weitere Vorlagen an. Stichwort Stempelsteuern, Stichwort Verrechnungssteuer, Stichwort Eigenmietwertbesteuerung. Die gehen alle in die Richtung, das Kapital – wenn man diesen Ausdruck gebrauchen möchte – weiter zu entlasten.
Das Gespräch führte Jan Baumann.