Die Initiative Kapitalbesteuerung der Juso sei «brandgefährlich», warnte praktisch die gesamte Schweizer Wirtschaft – geeint wie selten. Gefährlich sei sie insbesondere für die KMU und Familienbetriebe, quasi das Rückgrat der Schweiz. Mit der einfachen Formel «Gefahr für die Wirtschaft» konnten in den letzten Jahren praktisch alle linken Initiativen gebodigt werden. Einmal mehr hatten die breit aufgestellten bürgerlichen Gegnerinnen und Gegner ein leichtes Spiel.
Die Gegner schafften es mit ihrer Kampagne aber auch, nicht nur die mittelständischen Betriebe als «Opfer» der Initiative zu benennen, sondern den ganzen Schweizer Mittelstand. Weil sich eine deutliche Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger dem Mittelstand zurechnet, verfehlte die Kampagne ihre Wirkung nicht.
Absender als Problem
Die Gegnerinnen und Gegner hatten es aber auch vergleichsweise einfach, weil der Absender der Initiative auf grundsätzliches Misstrauen im bürgerlichen Lager stösst: Die Umfragen im Vorfeld der Abstimmung zeigten, dass die Befragten eigentlich ein gerechteres Steuersystem und einen besseren Ausgleich der Vermögen wünschen würden.
Aber einer Initiative der Jungsozialisten, die für eine «andere Gesellschaft» kämpft und das jetzige Wirtschaftssystem grundsätzlich ablehnt, wollte man dann doch nicht zustimmen.
Unklarer Verfassungstext
Die Initiative hatte aber auch ein paar «handwerkliche Mängel», wie auch linke Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Bundeshaus hinter vorgehaltener Hand kritisierten. Der Verfassungstext war zu offen formuliert. Das Parlament hätte sich wohl jahrelang darüber gestritten, was überhaupt unter den unscharfen Begriff «Kapitaleinkommen» fällt und ab welchem Betrag die höhere Besteuerung greifen würde.
Es genügt kaum, wenn die Initiantinnen und Initianten vorschlagen, es soll ein Freibetrag von 100'000 Franken Kapitalgewinn gelten. Am Schluss stimmt die Bevölkerung nicht über Willensäusserungen, sondern über einen Verfassungstext ab.
Kleiner Achtungserfolg
Die Jungsozialisten hatten von Anfang an wenig Chancen. Immerhin schafften sie es aber, das eigene linke Lager abzuholen. Hier kann man durchaus von einem Achtungserfolg sprechen. Denn anfänglich war die Initiative auch in der Mutterpartei, der SP, umstritten.
Die Initiantinnen und Initianten erreichten auch, einen Missstand einer breiteren Öffentlichkeit vor Augen zu führen: Die Vermögen in der Schweiz sind sehr ungleich verteilt. Das reichste Prozent besitzt rund 40 Prozent der Vermögen.
Hier sieht laut den SRG-Abstimmungsumfragen eine Mehrheit durchaus Handlungsbedarf. Doch die Linke hat kaum die Kraft, dies mittels einer Initiative zu ändern. Solche Volksbegehren scheiterten in den letzten Jahrzehnten immer.