Laut Finanzminister Ueli Maurer ist die Reform des Verrechnungssteuer-Gesetzes nur ein «Reförmchen». Von dem aber alle profitieren könnten.
Die Verrechnungssteuer soll teilweise fallen – unter anderem auf neuen inländischen Obligationen. So wollen es Bundesrat und Parlament. Die Linke hat dagegen das Referendum ergriffen.
«Wir stellen fest, dass die Verrechnungssteuer auf inländischen Obligationen dazu geführt hat, dass das Geschäft ins Ausland abwandert», sagte Maurer in der «Arena» am Freitagabend.
Für Anleger im Ausland sei es weniger attraktiv, hierzulande in Obligationen zu investieren als in Ländern, die keine vergleichbare Steuer kennen, etwa Luxemburg. «Wir wollen das Geld wieder zurückholen.» Damit soll der Wirtschaftsstandort Schweiz belebt werden.
Mit dieser Vorlage schaffen wir eine Zweiklassen-Schweiz.
«Eine skandalöse Vorlage» sei das, sagte hingegen Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds. «Mit dieser Vorlage schaffen wir eine Zweiklassen-Schweiz.» Arbeitnehmende, die ein Sparbüchlein haben, müssten weiterhin die Verrechnungssteuer zahlen und alles deklarieren.
Ausgerechnet diejenigen, die in Obligationen anlegen könnten, Vermögende und Grossanleger, würden hingegen steuerlich begünstigt und nicht mehr kontrolliert. Der Bundesrat habe den Auftrag, alle gleich zu behandeln.
Es lohne sich gar nicht, in diesem Bereich der Obligationen zu betrügen, hielt Bundesrat Maurer dagegen, der Ertrag sei zu klein, die Zinsen zu tief.
Zudem gehe er von einer grossen Steuerehrlichkeit aus, er vertraue den Bürgerinnen und Bürgern und unterstelle ihnen keine kriminellen Aktivitäten.
Gibt es Steuerausfälle oder Mehreinnahmen?
Kontrovers diskutiert wurde auch, ob sich die Reform längerfristig finanziell auszahlen würde. Die Steuerverwaltung geht von jährlichen Mindereinnahmen von mindestens 215 bis 275 Millionen Franken aus. Bis in drei Jahren seien die Ausfälle aber ausgeglichen, sagte Ueli Maurer. Der Bundesrat gehe insgesamt von Mehreinnahmen aus.
Der Bund verbreite «Fake News», monierte jedoch Daniel Lampart. Firmen, die ihren Sitz im Ausland haben, zahlten zum Teil bereits heute keine Verrechnungssteuer. Eine Studie im Abstimmungsbüchlein sage aber, rund 500 Millionen Franken würden durch die Abschaffung der Steuer von diesen ausländischen Firmen in die Schweiz fliessen. Das seien Zahlen, die nichts mit der Verrechnungssteuer zu tun hätten.
Steuerzahlerinnen und Steuerzahler profitieren von reduzierten Infrastrukturkosten.
Man erhoffe sich von der Reform, dass die Zinsen auf den Obligationen sinken werden, sagte GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy. Davon würden nicht nur Konzerne profitieren, wie die Gegnerinnen und Gegner argumentierten. Zu einem grossen Teil würde das auch der öffentlichen Hand zugutekommen, also Bund, Kantonen und Gemeinden, die wiederum Infrastrukturen finanzierten. «Steuerzahlerinnen und Steuerzahler profitieren doppelt, durch zusätzliche Steuereinnahmen aufgrund des Geschäfts, das wir zurückholen, aber auch durch reduzierte Infrastrukturkosten.»
SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo sieht das anders: «Die Haushalte sind heute damit konfrontiert, dass sie steigende Kosten haben, die Energiekosten nehmen zu, die Kaufkraft nimmt ab, die Erhöhung der Krankenkassenprämien steht an.» Gerade jetzt, wo die Leute den Gürtel enger schnallen müssten, werde behauptet, man könne ein paar Jahre auf die wegfallenden Millionen verzichten. Ob es zu den versprochenen Einnahmen komme, sei nicht wissenschaftlich abgestützt, sondern «Wunschdenken». «Wir können es uns nicht leisten, diese Steuer abzuschaffen», sagte Birrer-Heimo.
Mit einem vermeintlich trockenen Thema ist die «Arena» in die neue Polittalksaison gestartet – doch schnell entwickelte sich eine engagierte Debatte. Ob die Stimmbevölkerung nach dem Nein zum Gesetz über die Stempelabgaben diese Steuervorlage annehmen wird, wird sich am 25. September zeigen.