Ab Juli ist auf Schweizer Einzahlungsscheinen ein QR-Code aufgedruckt. Nachdem wir den Code seit einiger Zeit auf Parkuhren finden, beim Bauernhofladen, im Swisspass oder seit Corona auf manch Restaurant-Speisekarte, ist die Technologie definitiv beim «Plateau der Produktivität» angelangt. Das ist die letzte Stufe im sogenannten «Hype-Zyklus», der die fünf Phasen der öffentlichen Wahrnehmung benennt, die eine neue Technologie bei ihrer Einführung durchläuft.
1. Produktivität aus Japan
Produktiv wird der neue Einzahlungsschein durch den QR-Code in der Tat: Statt mühsam endlose Zahlenreihen abzutippen, können wir nun Rechnungen schnell mit dem Smartphone erfassen, in dem wir den Code abfotografieren. Auch für die Finanzdienstleister hat das neue Verfahren Vorteile. Sie versprechen sich eine geringere Fehlerquote bei den Zahlungen und dadurch eine Senkung der Kosten für die Verarbeitung.
«Technologischer Auslöser», die erste Stufe im Hype-Zyklus, war der Autohersteller Toyota, der den Code erfolgreich zur Markierung von Komponenten in der Produktion benutzte. Entwickelt hatte die Technologie 1994 die Firma Denso, ein globaler Automobilzulieferer.
2. Vom Gipfel ins Tal gestürzt
Die nächste Stufe des Hype-Zyklus, den «Gipfel der überzogenen Erwartungen», zündeten – wenig erstaunlich – Marketingfirmen im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts.
Experten sahen im Code den Retter der Printbranche, sagten ihm «Ikonenpotential» voraus und ein «Spiegel»-Artikel titelte «Aufbruch ins Outernet». Gemeint war damit die Verknüpfung des Internets auf dem noch klassischen Tasten-Handy mit der physischen Welt, in erster Linie der gedruckten Werbung.
Fortan druckten viele Werbetreibende einen Code auf ihre Inserate und Plakate in der Hoffnung, dass wir ihn fotografieren und uns dann die dargebotenen zusätzlichen Informationen zu Gemüte führen würden. Was kaum jemand tat.
«Schwups!» befand sich der QR-Code im «Tal der Enttäuschungen» und kaum mehr jemand schrieb über ihn.
4. Und ewig wird er leben
Das bedeutete nicht, dass sich niemand mehr mit ihm beschäftigte. Kluge Köpfe des öffentlichen Verkehrs und Konzertveranstalter etwa liessen sich auf «den Pfad der Erleuchtung» führen und entdeckten den Code als praktisches Online-Ticket, Banken sichern mit ihm den Zugang zu ihren Online-Diensten ab. Dass letztere den Einzahlungsschein mit dem QR-Code redesignen, adelt die Technologie nun gleichsam zu einer Eidgenössischen, liess sie endgültig im hehren Vaterland ankommen.
Denn eidgenössischer als es der Einzahlungsschein ist, geht kaum. Was für uns eine Selbstverständlichkeit ist, kennt kein anderes Land in dieser Form. Der Papierfetzen ist im Zeitalter des Online-Bankings überflüssig – aber dennoch nicht unterzukriegen. Nun wird er mit seiner Langlebigkeit dafür sorgen, dass auch der QR-Code nicht so schnell untergehen wird.
Nur eine Frage stellt sich noch: Wie findet er seinen Weg in das 110jährige «gelbe Büchleina>», das Empfangsscheinbuch, in das sich Bareinzahler am Postschalter die bezahlten Rechnungen mit einem Stempel quittieren lassen?