Von der AHV-Reform betroffen sind ausdrücklich die Frauen. Ihr Rentenalter soll schrittweise auf 65 Jahre erhöht und damit dem der Männer angepasst werden. Wie am 25. September entschieden werden soll, darüber gehen die Meinungen bei den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern aber weit auseinander. Das hat sich auch am Freitagabend in der «Arena» gezeigt, wo Befürworter und Gegnerinnen, Junge und Rentnerinnen, zu Wort kamen.
«Bei einem Ja zahlen alle mehr, aber die Frauen erhalten weniger», sagte SP-Nationalrätin Jacqueline Badran. Die Hälfte der Menschen in der Schweiz lebten heute von einer Rente, die tiefer als 3500 Franken pro Monat sei. «Das ist nicht existenzsichernd.» Die Vorlage würde das Problem nur noch verschärfen, sagte Badran. Dies, weil Frauen oftmals Teilzeit arbeiteten und unbezahlte Arbeit wie Kinderbetreuung verrichteten.
Auch unsere Enkelkinder sollen von der AHV profitieren können.
«In der AHV sind Frauen und Männer heute gleichgestellt», betonte hingegen Eveline Widmer-Schlumpf, Präsidentin von Pro Senectute Schweiz und alt Bundesrätin, und ergänzte: «Nur beim Rentenalter nicht.» Für Widmer-Schlumpf ist die Angleichung ein «Akt der Emanzipation». Es brauche diese Reform zudem, um die Generationensolidarität aufrechtzuerhalten. Denn es gebe immer mehr ältere Menschen und immer weniger junge Leute. «Auch unsere Enkelkinder sollen von der AHV profitieren können.»
Gegnerinnen fordern Lohngleichheit
Bevor die AHV-Vorlagen angenommen würden, solle zuerst die Lohngleichheit eingeführt werden, forderte die Gymischülerin Daria Maurer. «Weil Frauen weniger als Männer verdienen, ist es für sie schwieriger, im Alter finanziell unabhängig zu sein.» Um die Altersvorsorge mache sie sich keine Sorgen, denn die AHV schreibe immer noch schwarze Zahlen. Zuerst müsse die Gleichstellung in anderen Bereichen sichergestellt werden.
Auch Julia Küng, Co-Präsidentin der Jungen Grünen, sagte, der AHV gehe es heute so gut wie noch nie. Denn: «Sie ist vor allem abhängig von der Lohnsumme, die in den letzten Jahren explodiert ist. Weil wir produktiver sind, mehr Lohn erhalten und immer mehr Frauen erwerbstätig sind.»
Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen, hob im Gegenteil die Dringlichkeit der Reform hervor: «Wir müssen die AHV jetzt retten.» Ohne Reform kumuliere sich bis im Jahr 2032 ein Defizit von 18.5 Milliarden Franken. Das gehe zulasten der Jungen. «Das Hauptziel der Reform sei die Stabilisierung der AHV für die nächsten zehn Jahre», sagte Müller. Dabei werde keine einzige Frauenrente gekürzt, insgesamt bedeute es sogar mehr Rente für die Frauen. «Ein Jahr länger Arbeiten bedeutet mehr Einkommen und damit mehr Beiträge in die zweite Säule, also auch mehr Verzinsung des Alterskapitals.»
Ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer fair oder unsozial?
Auch über die zweite Massnahme zur Sanierung der Altersvorsorge wurde in der «Arena» debattiert. Die AHV-Reform sieht auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.4 Prozentpunkte auf 8.1 Prozent vor.
Badran ist auch deshalb gegen die AHV-Vorlagen. In Bundesbern finde ein permanenter Verteilkampf um die Lohnprozente statt. «Statt dass man mehr der AHV gibt, will man sie fürs BVG reservieren.» Denn daran verdienten die Versicherungskonzerne. Hingegen verdienten an jedem Lohnprozent, das in die AHV fliesst, 92 Prozent der Bevölkerung. «Weil sie mehr aus der AHV bekommen, als sie eingezahlt haben.» Das sei die grosse Umverteilungsleistung.
Ganz anders sieht dies Müller. Die Mehrwertsteuer sei die nachhaltigste, fairste und langfristigste Finanzierungsvariante. Sie verlange von allen Generationen einen Beitrag, von den Jungen, aber auch von den älteren Leuten. Damit leiste sie 70 Prozent an die Sanierung der AHV.
Ob die AHV21 die richtige Lösung für die Zukunft ist, bleibt bislang offen. In zwei Wochen wird in der Abstimmungs-«Arena» weiterdiskutiert. Dann wird sich Bundesrat Alain Berset den Gegnerinnen stellen.