An der Sekundarschule im basellandschaftlichen Therwil wollten zwei muslimische Schüler ihrer Lehrerin nicht mehr die Hand geben. Die Schulleitung gab nach und dispensierte die beiden vom Händedruck am Anfang und Schluss des Unterrichts. Der Dispens wird inzwischen in der ganzen Schweiz kontrovers diskutiert.
Nun meldet sich Justizministerin Simonetta Sommaruga dazu zu Wort: «Dass ein Kind der Lehrperson die Hand nicht gibt, das geht nicht.» Der Handschlag sei Teil unserer Kultur, gehöre zum Alltag in unserem Land. «So stelle ich mir Integration nicht vor, auch unter dem Titel Religionsfreiheit kann man das nicht akzeptieren», sagt die Bundesrätin zu «10vor10». Man müsse «absolut klarstellen», dass der Handschlag hierzulande dazugehöre und man dürfe diesbezüglich «kein Fragezeichen aufkommen» lassen.
Rektor rechtfertigt sich
Zuvor hatte sich erstmals auch die Leitung der Therwiler Sekundarschule öffentlich geäussert. Rektor Jürg Lauener stehe nach wie vor zur Sonderregelung für die beiden muslimischen Schüler. Man habe ja nicht einfach nur nachgegeben, sondern einen Kompromiss geschlossen, rechtfertigt er sich. So sei vereinbart, dass die beiden Schüler auch den männlichen Lehrern die Hand nicht mehr geben dürfen. «Sie dürfen den Lehrern und den Lehrerinnen nicht mehr die Hand geben. Damit ist die Diskriminierungsfrage für uns beseitigt», betont Lauener.
Für die Öffentlichkeit ist das Thema damit aber keineswegs abgehakt. Auch wenn die Schulleitung von einem Kompromiss spricht, ist klar: Die Wurzel des ganzen Konflikts liegt darin begründet, dass zwei Schüler aus religiösen Gründen, Frauen den Händedruck verweigern.
Ganz wohl war dem Therwiler Schulrektor dabei aber offenbar nicht. Nachdem seine Schule im November die Sonderregelung vereinbart hatte, informierte er das Basellandschaftliche Bildungsdepartement. «Es ist ein Problem, das in allen Schulen auftauchen könnte», sagt Lauener. Er schlägt daher vor, dass der Kanton möglichst bald Vorschriften oder Empfehlungen für solche Situationen herausgibt, um Schulen eine Orientierung zu geben, wie sie sich in gewissen Situationen verhalten sollen. «Das erwarte ich». Bis eine solche kantonale Vorgabe kommt, bleibt die Sonderregelung an der Sekundarschule Therwil aber in Kraft.
Lehrerverband: «Keine gute Lösung»
Deshalb verstummt auch die Kritik am Vorgehen in Therwil nicht. «Es ist für mich ein Novum, dass Schülern quasi erlaubt wird, den Lehrpersonen den Händedruck zu verweigern. Ich halte das für keine gute Lösung, weil für alle Schüler die gleichen Regeln gelten sollten», sagt etwa Beat Zemp, Präsident des Schweizer Lehrerinnen- und Lehrerverbandes.
Mit der Sonderregelung werde ein falsches Signal ausgesendet, und zwar auch für die beiden betroffenen Schüler selber, denn sie hätten ja auch später im Berufsleben mit Arbeitskolleginnen, Chefinnen oder Kundinnen zu tun.
Auch die Baselbieter Bildungsministerin Monika Gschwind hält die Handschlag-Dispens in Therwil «nicht für eine abschliessende Lösung», wie sie gegenüber SRF erklärt. Sie attestiere den Verantwortlichen der betroffenen Schule zwar in einer schwierigen Situation, pragmatisch gehandelt zu haben. Nun solle aber ein juristisches Gutachten klären, wie mit der Thematik umgegangen wird.
Dieses soll die Basis für ein Grundlagenpapier bilden, das für alle Schulen gilt. Ohne dessen Ergebnis vorwegzunehmen, ist für Gschwind aber klar: «Bei uns sind alle Schülerinnen und Schüler gleichgestellt. Bei uns ist es normal, dass man Frauen achtet und ihnen die Hand gibt. Das will ich konsequent durchsetzen.»
Klares Stoppsignal gefordert
Konservative Muslime argumentieren, eine Frau nicht zu berühren sei eine Form des Respekts. Dem widerspricht die Politikwissenschaftlerin Elham Manea deutlich. Einer Frau die Hand nicht zu geben, zeuge von einer fundamentalistischen Religionsauslegung, findet die schweizerisch-jemenitische Doppelbürgerin und liberale Muslimin. «Es geht nicht um Respekt. Es geht um eine Weltanschauung, die die Frau als sexuelles Objekt betrachtet.»
Ein Fall wie in Therwil, wo zwei muslimische Schüler den Lehrerinnen die Hand nicht mehr geben wollen, ist extrem selten in der Schweiz. Trotzdem findet Manea wichtig, dass diese Diskussion jetzt geführt wird. Sie verlangt, dass die Schweizer Behörden nun ein klares Stoppsignal setzen. Sonst würden fundamentalistisch denkende Muslime immer weitere Ausnahmeregelungen fordern.