Der Schrecken des Kalten Krieges hängt friedlich in einem Moskauer Museum von der Decke. Auf der blank polierten Aluminiumoberfläche der Kopie von «Sputnik 1», dem ersten künstlichen Satelliten im Weltraum, spiegelt sich der Betrachter. Kaum zu glauben, dass eine Metallkugel mit vier wie Tentakel abstehenden Antennen vor genau 60 Jahren die Welt in Aufruhr versetzen konnte.
Es waren leise Piepstöne, die am 4. Oktober 1957 weltweit mit normalen Radios zu empfangen waren – doch sie hatten die Wirkung eines Paukenschlags. Als die Sowjetunion den Satelliten «PS-1» ins All schickte, löste dies im Westen den «Sputnik-Schock» aus: Es war der Startschuss des Wettlaufs ins All zwischen den Supermächten USA und UdSSR. Heute gilt «Sputnik 1» (Begleiter) als Beginn der Raumfahrt-Ära. Und noch immer beflügeln die einstigen Erfolge die Raumfahrtnation Russland. Doch lautet das Credo nun: Zusammenarbeit.
Die Welt feiert mit
«Wir sind sehr stolz darauf, dass dieses Fest kein rein russisches ist, sondern dass es von der ganzen Welt begangen wird», sagt Wjatscheslaw Klimentow. «Damit würdigt die Welt die Leistung der russischen Wissenschaftler.»
Der Historiker Klimentow ist Vizedirektor des Raumfahrt-Museums in Moskau. Aufgelegt zu farbenfrohen Schilderungen über die Höhen und Tiefen der sowjetischen und der russischen Raumfahrt sitzt er an seinem Schreibtisch vor einem Gemälde des legendären Chef-Konstrukteurs Sergej Koroljow, des Vaters von Sputnik und Co.
Dieser sagte 1963 in einem Interview, der Sputnik-Flug sei die Krönung von 30 Jahren Forschung gewesen. Dem Westen machte damals weniger der Satellit mit seinem harmlosen Piepsen Angst als die erst kurz zuvor erprobte Interkontinentalrakete vom Typ R7, mit der er ins All flog. Dass die Sowjetunion zu so etwas in der Lage war, führte den USA ihre Verwundbarkeit vor Augen.
Aufbruch zu Mond und Mars – Wohin die Raumfahrtnationen streben
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Bild 1 von 13. Seit dem Beginn der Raumfahrt-Ära 1957 mit dem Flug des sowjetischen Satelliten «Sputnik 1» hat sich viel getan. An ambitionierten neuen Projekten mangelt es den Raumfahrtnationen nicht. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 13. In 60 Jahren Raumfahrt sind Menschen zum Mond und Sonden zu Saturn und Venus geflogen, unzählige Satelliten kreisen um die Erde und Rover rollen über den Mars (Bild). Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 13. Auch ein alter Bekannter gerät wieder in den Fokus: der Mond – 45 Jahre, nachdem zuletzt ein Mensch auf dem Trabanten war. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 13. Russland will bis etwa 2030 ihren ersten Kosmonauten zum Mond schicken. Die Erschliessung des Mondes sei eine wichtige Etappe, um den Flug zum Roten Planeten technisch zu erleichtern, so die Begründung. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 13. Unter dem US-Präsidenten Barack Obama hatte sich die NASA offensiv dem Slogan «Journey to Mars» (Weg zum Mars) verschrieben. Seit der Amtsübernahme von Donald Trump liegt jedoch einiges auf Eis. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 13. Der US-Präsident bevorzugt den Mond – ein einfacheres Ziel gerade für bemannte Missionen. Der Flug zum Mars dauert sechs Monate, damit verglichen sind die drei Tage bis zum Mond ein Kurzausflug. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 13. Der Chef der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA), Jan Wörner (Mitte), wirbt dafür, langfristig als Nachfolger der Internationalen Raumstation (ISS) eine Basis auf dem Erdtrabanten zu schaffen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 13. Das «Moon Village» soll in internationaler Kooperation entstehen, Wörner sucht bereits nach Partnern. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 13. Es soll Forschung, Abbau von Ressourcen und sogar Tourismus ermöglichen. Der Mond könnte demnach – ähnlich wie aus russischer Sicht – auch ein Sprungbrett für einen Flug zum Mars sein. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 13. China betreibt Mond-Missionen unter Hochdruck. Noch vor 2020 will die Volksrepublik zum zweiten Mal eine Sonde auf den Erdtrabanten schicken. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 13. Ebenfalls vor 2020 will China erstmals auf der von der Erde abgewandten Seite des Mondes landen. Vorbereitungen laufen auch für die erste bemannte Mondlandung Chinas, die in 20 Jahren geplant ist. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 13. Neben den Staaten versuchen auch private Firmen den Weltraum zu erobern, wie etwa das Unternehmen SpaceX. Bildquelle: Keystone.
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Bild 13 von 13. Ein neues Rennen zum Mond und Mars wie im Kalten Krieg soll es nicht geben. Alle Seiten betonen, dass im Weltraum in Zeiten irdischer Krisen Brücken gebaut werden können. Bildquelle: Keystone.
Technische Daten zu «Sputnik 1»
Visionärer Konstrukteur
Konstrukteur Koroljow ist für viele Etappensiege der Sowjets im kosmischen Rennen verantwortlich. Unter seiner Leitung startete Juri Gagarin als erster Mensch ins All, umrundete Valentina Tereschkowa als erste Frau die Erde und wagte sich Alexej Leonow als erster in einem Raumanzug aus seiner schützenden Kapsel ins freie Weltall. «Raumschiffe werden eines Tages immer tiefer ins Universum fliegen. Wir streben zu den Planeten unseres Sonnensystems, zu Mars und Venus», hatte der Visionär Koroljow gesagt.
Seine Worte weisen bis heute Russlands Weg zu den Sternen. Gemeinsam mit dem europäischen Partner ESA erforscht die Raumfahrtbehörde Roskosmos den Roten Planeten. Ein vielschichtiges Mond-Programm ist in Planung, das bis etwa 2030 in der ersten Landung eines Kosmonauten auf dem Erdtrabanten gipfeln soll. Und erst 2016 hatte Russland mit Wostotschny im Fernen Osten einen neuen Weltraumbahnhof eröffnet.
«Schon in den kommenden zehn Jahren müssen wir konkurrenzfähige, bahnbrechende Neuerungen vorstellen», forderte Präsident Wladimir Putin kürzlich. Russland müsse sein eigenes Potenzial ausbauen, aber auch die internationale Zusammenarbeit stärken, sagte Putin.
Zu wenig Neuerungen
Doch grosse Durchbrüche gab es schon lange nicht mehr. Nach dem Zerfall der Sowjetunion plagten Pleiten, Pech und Pannen die russische Raumfahrt. Kritiker bemängeln, dass Russland bis heute alte Sowjet-Technik nutzt. Es gebe zu wenige Neuerungen.
«Ja, damals wurde eine Basis geschaffen, die ihrer Zeit voraus war. Davon zehren wir noch heute», räumte Roskosmos-Chef Igor Komarow in der Zeitung «Iswestija» ein. Doch die Technik habe sich verändert. Beispiel Sojus-Raketen: «Das Steuerungssystem und alles Digitale – das ist eine völlig andere Rakete als zu Koroljows Zeiten», sagte er.
Dass in den USA aufstrebende Milliardäre wie SpaceX-Gründer Elon Musk als Raumfahrt-Mäzene auftreten und mit wiederverwendbaren Raketen die Branche aufmischen, beobachtet Komarow mit Interesse. Auch er sieht die Zukunft in der Kooperation mit privaten Geldgebern. «Aber wir haben (in Russland) bislang noch keine grossen Investoren», sagte er.
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Bild 1 von 5. Elon Musk denkt gross. In sieben Jahren sollen Menschen zum Mars fliegen, ganze Siedlungen entstehen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 5. SpaceX plane derzeit die Entwicklung einer Mega-Rakete namens «Big Fucking Rocket», sagte Musk Ende September auf einem Astronauten-Kongress im australischen Adelaide. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 5. Die Rakete soll bestenfalls schon im Jahr 2024 ein bemanntes Raumschiff mit Platz für bis zu 120 Menschen auf den Roten Planeten bringen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 5. Viele Experten halten eine bemannte Mission zum Mars in näherer Zeit durchaus für möglich. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 5. Die Raumfahrtnationen sind sich weitgehend einig, dass der Mars das nächste grosse Ziel der Menschheit ist. Bildquelle: Keystone.
Kosmos-Begeisterung weiterhin hoch
Dafür hat Roskosmos passionierte Kosmonauten wie Sergej Rjasanski. Der Biochemiker arbeitet derzeit auf der Internationalen Raumstation (ISS). Bei einem Ausseneinsatz im August setzte er einen Satelliten im Gedenken an Sputnik im All aus. Für ihn hatte die Symbolik etwas Persönliches, denn sein Opa war einer der Sputnik-Konstrukteure. «Das Signal des ersten Sputnik, das war seine Arbeit», sagte Rjasanski.
Der Historiker Klimentow sieht auch in der Leistung von Raumfahrern wie Rjasanski einen Grund, warum nach 60 Jahren die Begeisterung für den Kosmos hoch ist. Sie wachse sogar, meint er. Es sei eine Mischung aus patriotischem Stolz und Faszination für die Unendlichkeit, die viele junge Menschen in ihren Bann ziehe. Genau da setze seine Arbeit an, sagt Klimentow: «In diesem Museum geht es nicht nur um Technik und Helden, es geht auch um Träume.»