Justizministerin Karin Keller-Sutter trägt es mit Fassung: Sie ist nach ihrem Engagement für die EU-Waffenrichtlinie schon wieder zur Zielscheibe der SVP geworden. «Das gehört halt zur Rolle einer Bundesrätin», meint die FDP-Bundesrätin. Gerade in ihrem Justizdepartement gebe es nicht immer «Friede, Freude, Eierkuchen».
Keller-Sutter wurde bei ihrer Wiederwahl im letzten Dezember allerdings mit dem zweitschlechtesten Ergebnis aller Bundesräte abgestraft, weil sie von vielen SVP-Parlamentsmitgliedern nicht gewählt wurde. Der Volkspartei stösst insbesondere sauer auf, dass die engagierte Bundesrätin im Kampf gegen die SVP-Initiative mit den Gewerkschaften zusammenspannt.
Der Plan mit den Gewerkschaften
Keller-Sutter hatte schon als Ständerätin einen guten Draht zum damaligen SP-Ständerat und Gewerkschaftsboss Paul Rechsteiner. Zusammen sollen sie einen «Masterplan» ausgeheckt haben, wie man den Kampf gegen die Initiative der SVP gegen die Personenfreizügigkeit gewinnen kann.
Nach ihren ersten hundert Tagen als Bundesrätin verkündete Keller-Sutter dann an einer Medienkonferenz auf dem Bodensee, die Gewerkschaften seien Teil der Allianz gegen die SVP-Initiative. Der Preis für die Unterstützung der Gewerkschaften: Keller-Sutter machte sich stark für eine Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose, um gewisse negativen Folgen der Personenfreizügigkeit abzufedern.
Der heutige Präsident des Gewerkschaftsbundes, Pierre-Yves Maillard, bestätigt, dass diese Überbrückungsleistung Teil des Deals war. Und er lobt die FDP-Bundesrätin. «Sie hat verstanden, dass es ein Zeichen an die Bevölkerung braucht, dass jetzt soziale Fortschritte stattfinden können», sagt Maillard. 2014, beim Kampf gegen die Masseneinwanderungs-Initiative, die der Bundesrat verlor, habe ein solches Zeichen gefehlt.
Kritik des SVP-Präsidenten
Für SVP-Präsident Albert Rösti hingegen ist es «nicht korrekt», dass die Überbrückungsrente überhaupt zum Thema wurde im Kampf gegen die SVP-Initiative. «Das ist der teuerste Abstimmungskampf aller Zeiten», empört sich Rösti, die Überbrückungsrente würde hunderte Millionen Franken kosten, dabei würden die älteren Arbeitsnehmer «lieber arbeiten als eine Rente beziehen». Doch Keller-Sutter wolle «lieber Rente als Arbeit».
Diese Vorwürfe weist die Bundesrätin zurück. Der Bundesrat habe Marktöffnungen schon immer mit flankierenden Massnahmen begleitet, und dieses Mal habe der Bundesrat einen Vorschlag der Sozialpartner übernommen – auch das habe Tradition in der Schweiz.
«Traditionelle Allianz»
Doch steht Keller-Sutter den Gewerkschaften im Moment näher als der SVP? Das sei nicht «eine Frage der Zuneigung oder Liebe», sagt Keller-Sutter, sondern eine Frage der Interessen. Wenn es darum gehe, die Bilateralen zu verteidigen, spiele immer die «traditionelle» Allianz von SP, CVP, FDP, den Wirtschaftsverbänden und der Sozialpartner.
Doch dieses Mal, im Kampf gegen die Initiative gegen die Personenfreizügigkeit, dürfte das Engagement der Gewerkschaften deutlich stärker ausfallen. Darauf hat die heutige FDP-Bundesrätin bereits vor ihrem Amtsantritt hingearbeitet.
Tagesschau, 11.02.2020, 19:30 Uhr