Das deutliche Nein zur Begrenzungsinitiative ist ein weiterer Tiefschlag für die SVP. Dass sie mit ihren Kernthemen Migration und Europa erneut eine Niederlage einfahren musste, schlägt aufs Gemüt der Mitglieder der einst erfolgsverwöhnten Partei. Es brauche wieder Erfolge und um diese zu haben, müsse man sich breiter aufstellen, heisst es von verschiedenen Parteiexponenten.
So sagt der Berner SVP-Ständerat und Kantonalparteipräsident Werner Salzmann: «Die grösste Partei der Schweiz muss sich ganz klar um die Vorsorge der Bürgerinnen und Bürger kümmern – die AHV und die zweite Säule.» Daneben sind für Salzmann die Sicherheits-, Wirtschafts- und Landwirtschaftspolitik zentrale Themen, denen sich die SVP widmen muss.
Auch der Ständerat Alex Kuprecht aus der SVP-Hochburg Schwyz findet, man sei zu einseitig unterwegs: «In der Geschäftsleitung nimmt sich niemand den Sozialversicherungen und der Krankenversicherung an. Diese Stimmen müssen dringend in der Geschäftsleitung verankert werden.»
Deshalb hat Kuprecht klare Vorstellungen was der neue SVP-Präsident Marco Chiesa jetzt zu tun habe: «Ich erwarte von ihm, dass er diese Themen, die die Bevölkerung stark bewegen, in der Geschäftsleitung vermehrt ins Zentrum rückt. Und dass er den Stimmen, die versucht haben, sich in diesen Bereichen einzubringen, Gehör schenkt.»
Die SVP habe genügend kompetente Leute für Themen wie Sozialwerke, Verteidigung oder Landwirtschaft ist auch Salzmann überzeugt. Die Parteispitze müsse diese Köpfe nur entsprechend aufbauen, damit sie auch wahrgenommen würden.
Der Nachwuchs muss ran
Dem pflichtet auch die Thurgauerin Diana Gutjahr bei. Man habe seit den letzten Wahlen genügend neue Köpfe in der Partei, welche sich um die vernachlässigten Themen kümmern könnten, sagt die SVP-Nationalrätin: «Die Jungen müssen ran. Sie werden diese Themen in Zukunft noch mehr beschäftigen als die Älteren.» Man müsse sich mit diesen Personen zusammensetzen und schauen, wer welche Themen künftig bearbeiten könne.
Es gibt gewisse Prioritäten, die wirklich wichtig sind. Zum Beispiel ist eine Reform der AHV dringend. Wir müssen eine Lösung finden.
Migration und Europa sollten klar zentrales Thema bleiben. Aber die grösste Partei im Land müsse sich eben um mehr als nur das kümmern, sind sich alle Befragten einig.
Diese interne Kritik ist nicht neu. Bereits vor den eidgenössischen Wahlen vor knapp einem Jahr kritisierte die SVP-Basis vermehrt die zu starke Fokussierung auf das Europa-Thema.
SVP-Präsident Chiesa sagte am Sonntag nach der verlorenen Abstimmung auf die Frage, ob die Partei sich künftig nicht breiter aufstellen müsse: «Es gibt gewisse Prioritäten, die wirklich wichtig sind. Zum Beispiel ist eine Reform der AHV dringend. Wir müssen eine Lösung finden.»
Auf Worte folgen Taten
Ähnlich hatte sich jeweils auch Chiesas Vorgänger Albert Rösti geäussert, wenn Kritik an der mangelnden Themenfokussierung geäussert wurde. Allerdings passierte nichts. Jetzt kommen die kritischen Voten nicht mehr allein von der SVP-Basis, also von einfachen SVP-Mitgliedern, sondern von prominenten und einflussreichen Parteivertretern wie etwa Werner Salzmann.
Und der macht Druck, indem er seinen Worten Taten folgen lässt: «Wir machen derzeit im Kanton Bern eine Umfrage bei der Basis. Wir wollen wissen, welche Themen sie beschäftigt. Dann machen wir einen entsprechenden Antrag an die schweizerische Partei.»
Der Druck auf den neuen SVP-Präsidenten Chiesa steigt also, die Partei breiter aufzustellen und neue Köpfe aufzubauen.