Odette Brunschvig erinnert sich lebhaft an diesen Tag im Juni 1933: «Im Berner Kulturcasino, wo heute Konzerte aufgeführt werden, hielten die Schweizer Nazis eine Versammlung. In Uniform, mit Hakenkreuzen. Und sie verteilten die fürchterliche antisemitische Hetzschrift ‹Die Protokolle der Weisen von Zion›. Es war unglaublich.»
Ich werde das nie vergessen.
Die jüdische Gemeinde Bern und der Schweizerische Israelitische Gemeindebund SIG beschlossen, rechtlich gegen die Frontisten vorzugehen. Der 25-jährige Georges Brunschvig wurde auserkoren, die jüdische Seite vor Gericht zu vertreten. Seine Verlobte Odette Wyler verfolgte den zwei Jahre dauernden Prozess im Berner Amtshaus als Zuschauerin.
Beschimpfungen vor Gericht
«Die Stimmung war höchst angespannt», erzählt die heute fast 100-Jährige. Nie vergessen werde sie einen Satz, den einer der Angeklagten von sich gab: ‹Judenweiber waschen ihre Kinder mit Spucke.› Das sei etwa der Tonfall an diesem Prozess gewesen. Den die jüdische Seite schliesslich gewann.
Über diesen und weitere wichtige Prozesse, die Georges Brunschvig als Anwalt bestritt, berichtet die Historikerin und Journalistin Hannah Einhaus in ihrem neuen Buch. Nebst Archiv-Recherchen führte sie stundenlange Gespräche mit der Witwe von Georges Brunschvig.
Was ihm wichtig war, ist heute ebenso wichtig.
Dieser starb 1973. In einem der zahlreichen Kondolenzbriefe habe jemand geschrieben ‹Wir haben die Krone unseres Hauptes verloren›, erzählt Hannah Einhaus. «Mit ihm war eine Persönlichkeit gestorben, die in der jüdischen Gemeinschaft und weit darüber hinaus von grosser Bedeutung war.»
Was war ihm wichtig, was trieb ihn an? «Recht, Gerechtigkeit, die Würde des Menschen», sagt Odette Brunschvig. «Und der Respekt vor den Mitmenschen. Werte, die heute ebenso wichtig sind wie damals.»
Die Buchvernissage ist am 18. Mai 2016 um 18:30 Uhr im Kornhausforum Bern.
(Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 17:30 Uhr)