Genau 954 Mal ist die Berner Kantonspolizei 2015 wegen häuslicher Gewalt eingeschritten. Die meisten Fälle betrafen Opfer zwischen 25 und 49 Jahren. Lediglich neun Fälle betrafen Opfer, die über 65 Jahre alt waren. Befragungen von älteren Menschen zeigten aber, dass die Zahl weit höher liege, schreibt die Polizei in einer Mitteilung.
Jede fünfte Person über 65 betroffen
Das bestätigt Judith Hanhart, die Leiterin der Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt im Kanton Bern: «Wir gehen davon aus, dass etwa jede fünfte Person über 65 betroffen ist. Täter sind meist pflegende Angehörige, also der Ehemann, die Ehefrau oder die Nachkommen.»
Hinter den Konflikte stehen meist jahrzehntelange Beziehungen. Man scheut sich daher vor rechtlichen Schritten.
Dass diese Fälle der Polizei nur sehr selten bekannt sind, habe mit den Lebensumständen der älteren Menschen zu tun, sagt Bruno Meili von der unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter: «Hinter den Konflikten stehen meisten Beziehungen, die Jahrzehnte gedauert haben. Daher ist die Hemmschwelle für ein juristisches Vorgehen sehr hoch», sagt er. Viele ältere Leute erduldeten die Gewalt dann einfach.
Häufige Ursache der Konflikte seien die Pflegeumstände der älteren Leute, so Meili: «Man gesteht den älteren Leuten nicht mehr zu, dass sie selber beurteilen, was für sie das Richtige ist. Das kann zu Auseinandersetzungen und zur Eskalation führen.»
Der Kanton Bern will nun aktiv werden, damit es weniger Konflikte gibt, heisst es in einer Mitteilung. Ansetzen will er beim Pflegepersonal. Es soll besser geschult werden, so dass es Konflikte erkennt und den Opfern mitteilen kann, welche Möglichkeiten es gibt.