Es gibt vor allem im Westen von Bern keine Grossüberbauung, bei der die Architekten und Planer Hans und Gret Reinhard nicht die Hand im Spiel hatten. Der erste Grossauftrag für das Paar war die Reihenhaus-Siedlung Bethlehemacker in den frühen 1940er Jahren, danach folgten Schlag auf Schlag die mächtigen Hochhaussiedlungen Tscharnergut, Gäbelbach, Fellergut, Schwabgut und andere.
Eine neue Monographie, eine Denkschrift über das Ehepaar Reinhard, würdigt nun ihre Leistungen für den sozialen Wohnungsbau in der Stadt Bern. Gret Reinhard verstarb hochbetagt im Frühjahr 2002. Nur ein Jahr später folgte ihr Ehemann.
Wenige Jahre vorher hatten sie ihr Büro in eine Mitarbeiter-AG umgewandelt. Sie hinterlassen ganze Quartiere, die in den 1940er bis 1970er Jahre die Wohnungsnot in Bern zu lindern versuchten.
Dazu entwarfen Reinhards prägende Gebäude wie die Eidgenössische Oberzolldirektion, die Schanzenpost, ein Uni-Institut oder die Grosse Schanze auf dem Bahnhofparking in Bern.
Wohnungsbau war für Reinhards ein gesamtheitliches Anliegen
«Hans und Gret Reinhard wollten gute Architektur zu erschwinglichen Mietzinsen für viele Leute bieten. Und dabei haben haben sie nicht nur Architektur, sondern gesamtheitliche Siedlungsplanung betrieben», sagen Jürg Sollberger, der heutige Chef des Architektur- und Planungsbüros Reinhardpartner, und der frühere Stadtpräsident Klaus Baumgartner im Gespräch mit dem «Regionaljournal Bern Freiburg Wallis» von Radio SRF.
So war das Gemeinschaftszentrum im Tscharnergut das erste seiner Art in der ganzen Schweiz. Und mit Ladenstrassen in den Grossüberbauungen haben die Bewohnerinnen und Bewohner Gelegenheit, vor der Haustüre einzukaufen.
«Reinhards waren sehr gut vernetzt, einflussreich und brachten Landeigentümer, Behörden und grosse Wohnbaugenossenschaften zusammen», erinnert sich Klaus Baumgartner. «Sie waren es auch nicht gewohnt, sich nicht durchzusetzen.» So war Hans Reinhard auch Präsident von der von seinem Vater gegründeten Familienbaugenossenschaft und 20 Jahre lang Berner SP-Stadtrat.
Hochhaus und Grossüberbauung haben wieder Zukunft
Während einer Generation waren Hochhäuser und Wohnblock-Grosssiedlungen allerdings wenig beliebt und wurden als Kaninchenställe verschrien. «Die Zeiten ändern sich aber», registriert Jürg Sollberger. «Junge Leute, die zum Beispiel im Tscharnergut einziehen, wissen nichts von den alten, negativen Geschichten und finden es kultig, in dieser Umgebung zu leben.» Und so freut er sich, dass die Denkschrift an das Ehepaar Reinhard in einer Zeit entsteht, in der Hochhäuser wieder salonfähig sind.