Martin Stettler steht in seiner Garage und zieht die Gummistiefel an. Eben erst hat er in seiner Klein- und Nutztierpraxis in Heimenschwand eine Ultraschalluntersuchung bei einem Hund durchgeführt. Nun stehen Besuche auf Bauernhöfen in der Gegend rund um Heimenschwand an.
Sein Einzugsgebiet ist gross, es reicht von Röthenbach im Emmental bis Steffisburg und Linden. Stettler ist 24 Stunden pro Tag und fast 365 Tage im Jahr für seine Kunden da. Mit seinem Berufsverständnis gehört Stettler zu einer immer kleiner werdenden Gruppe der Tierärzte. Alleine eine Praxis zu führen, dazu sind immer weniger Tierärztinnen und Tierärzte bereit. Die hohen Präsenzzeiten, die Nacht- und Notfalleinsätze schrecken den Tierarztnachwuchs ab. In sechs Jahren wird Stettler pensioniert. Er fürchtet nun, keine Nachfolger für die Praxis zu finden.
Viele Junge wollen Teilzeit arbeiten, die Work-Life-Balance ist ihnen wichtig.
«Während meiner Studienzeit war eigentlich für fast alle Studierenden klar, dass sie einst eine eigene Praxis führen wollen», sagt Martin Stettler. «Das ist heute nicht mehr so. Viele Junge wollen Teilzeit arbeiten, die Work-Life-Balance ist ihnen wichtig.» Zudem hätten viele Studierende kaum mehr einen Bezug zur Landwirtschaft – erst in der Praxis werde ihnen oftmals definitiv klar,was das Berufsbild des Nutztierarztes alles beinhalte.
Eine wichtige Vertrauensperson
Für die Bäuerin Brigitte Durtschi und den Bauern Hanspeter Schnyder ist Martin Stettler eine Vertrauensperson. Er kennt sie, ihre Höfe und ihre Lebensgeschichten – und sie kennen ihn. Für Brigitte Durtschi wäre es «unvorstellbar» keinen Tierarzt mehr in der Nähe zu haben. Hanspeter Schnyder bekundet Mühe damit, dass bereits heute nicht mehr immer Stettler selber vorbeikommen kann, sondern manchmal einer der anderen Tierärzte im Stall auftaucht.
Für Martin Stettler ist klar, dass sich die Bauern vermehrt an Gruppenpraxen werden gewöhnen müssen. Er und seine Frau haben nun eine Aktiengesellschaft gegründet in der Hoffnung, dass sich verschiedene junge Tierärzte finden, die Aktienanteile kaufen würden und er sich so aus seiner Praxis zurückziehen kann. Cynthia Degen, eine seiner angestellten Tierärztinnen, sagt indes klar, dass sie sich nicht vorstellen kann, selber eine Praxis zu führen – «allenfalls mit Kollegen und Kolleginnen zusammen, aber noch nicht jetzt.»
Die Universität reagiert
An der Universität Bern müssen Studierende seit diesem Jahr während dem Studium ein dreiwöchiges Praktikum auf einem Landwirtschaftsbetrieb absolvieren. Dies, weil vielen Studierenden der Bezug zur Landwirtschaft fehlt, die später ihr Berufsumfeld sein wird.
Dass sich viele junge Tierärzte gegen eine Praxisübernahme entscheiden, bereitet auch der Universität Sorgen, wie Adrian Steiner, Leiter der Nutztierklinik an der Universität Bern, sagt. Man versuche nun, den Studierenden Praxismodelle aus Ländern wie Deutschland oder England näher zu bringen. In diesen Ländern führen zum Beispiel bis zu 15 Personen gemeinsam eine Praxis.
(Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 17:30/06:32 Uhr)