Lilly Keller ist 1929 in Muri bei Bern geboren. Die Kunstgewerbeschule in Zürich brach sie nach dem Grundkurs ab. «Auf gar keinen Fall» wollte sie sich von einem Lehrer unterrichten lassen, der den Schülern weitergegeben hätte, was ihm gefiel. «Das wäre das Schlimmste für mich gewesen», sagt sie. Sie wollte ihren eigenen Weg finden.
Das Eigene zu finden sei nicht leicht, sagt Lilly Keller. «Das muss man jahrelang suchen.» Sie sei etwa 40 Jahre alt gewesen, als ihr ganz klar wurde, was ihr entspricht. Und das habe sich gelohnt: «Wenn man daran glaubt, erreicht man, was man will.»
Die Berner Künstlerin begann einst mit Malen, dann wob sie grosse Tapisserien, später kreierte sie plastische Werke und Bücher aus Bild- und Text-Collagen. Sie schuf über 2000 Werke. Auch heute, 86-jährig, arbeite sie täglich im Atelier, erzählt Lilly Keller als Sonntagsgast im «Regionaljournal Bern Freiburg Wallis» von Radio SRF.
Was bringen denn ein bisschen Ruhm und Geld?
Lilly Keller war mit zahlreichen Künstlern befreundet. Damals in der Berner Künstlerszene habe jeder dazugehört, erzählt sie. Der Höhepunkt sei ein Ausflug auf die Lueg im Emmental gewesen. «Einer sagte, wir mieten einen Bus für 30 Personen und jeder nimmt mit, was er will.» So seien vor Ort an einem Tag ganz unterschiedliche Kunstwerke entstanden. «Dieser Gedanke, zusammen etwas zu machen - das ist aus meiner Sicht danach nie mehr passiert.»
Tinguely einen Korb gegeben
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Als Frau hatte es Lilly Keller in der Berner Künstlerszene nicht immer leicht. «Unter den Künstlern wurden wir als Musen und Weiblein belächelt.» Mit Jean Tinguely hatte Keller einst eine Liaison. Als er ihr aber das Angebot machte, auch mit ihm zusammenzuarbeiten, lehnte sie ab. «Ich hätte vielleicht eine kleine Idee haben können und er hätte es ausgeführt. Dann hätte ich alles aufgeben müssen. Ich bin nicht wahnsinnig.»
An der Seite von Tinguely wurde danach Niki de Saint Phalle berühmt. Doch Lilly Keller bereut nicht, dass sie Tinguely einen Korb gegeben hatte. «Was hat man davon? Ein bisschen mehr Ruhm und Geld - das ist doch lächerlich.»
Dass sie selber nicht das gleiche Renommee erlangte wie ihre Zeitgenossen, das habe durchaus auch mit ihr selber zu tun, sagt Lilly Keller. «Die andern gingen wahnsinnige Kompromisse ein. Ich nicht.» Kompromisse hätten noch nie zu ihr gepasst.
Bleibt also keine Bitterkeit? «Im Gegenteil», lacht die Künstlerin. «Für seine Überzeugung braucht man halt Rückgrat.»
(Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 17:30 Uhr)