Im Jahr 2007 lagerte die Stadt Thun ihre bisher städtischen Altersheime an die Stiftung «Wohnen im Alter WIA» aus. Das wollen die Urheber einer Volksinitiative zumindest zum Teil wieder rückgängig machen. Die Stadt soll mit einem Artikel in der Stadtverfassung die Möglichkeit haben, allenfalls Altersheime wieder selber zu betreiben. Auslöser des Begehrens waren Querelen in der Trägerschaft und der damaligen Betriebsgesellschaft der Altersheime.
«Der freie Markt hat versagt»
Für Franz Schori, Thuner SP-Präsident und Gewerkschafter ist der Fall klar. «Altersbetreuung darf nicht einfach zu einem Geschäft verkommen, bei dem die Betreuungsleistung schlechter und das Personal noch ausgebeutet wird. Nur Renditedenken ist hier falsch». Die Initianten wollen, dass die Stadt Thun die Altersheime als öffentliche, strategische Aufgabe definiert und in diesem Sinn auch Einfluss ausübt. «Wenn's in der Stadtverfassung steht, könnte die Stadt nötigenfalls sofort handeln», so Franz Schori.
Angeschossen ist damit die Stiftung WIA. «Wir hatten Unvereinbarkeiten zwischen Stiftung und Betriebs-AG. Aber das ist behoben, seit wir wieder alles in der Stiftung vereint haben», kontert Beat Straubhaar, der WIA-Stiftungsratspräsident. «Zudem sind wir eine gemeinnützige Stiftung, die nicht gewinnorientiert ist und alle Erträge wieder in den Betrieb reinvestiert.»
Beat Straubhaar weist auch darauf hin, dass die Finanzierung seit 2011 ohnehin grundlegend geändert hat. «Abgerechnet wird nicht mehr mit dem Heim, sondern mit den Menschen. Das gilt für öffentliche wie für private Altersheime und spielt somit keine Rolle mehr. Zudem ist die Tarifgestaltung wie auch die Aufsicht ausschliesslich Sache des Kantons.»
Stadt Thun rätselt um die Interpretation
Der Initiativtext ist so allgemein und strategisch gehalten, dass er für Gemeinderat Peter Siegenthaler ziemlich interpretationsbedürftig ist. «Dass die Stadt wieder selber Altersheime betreibt, erachte ich als nicht realistisch», sagt der Sozialvorsteher. «Allerdings ist es nicht von der Hand zu weisen, dass Altersheime nicht einfach ein Geschäft wie jedes andere sind. Hier geht's um ethische Ansprüche, um Moral und um das Wohl der älteren Menschen.» So schätzt Peter Siegenthaler, dass bei einer allfälligen Annahme der Initiative nicht allzu viel passieren wird.
Etwas ratlos mit der Stossrichtung ist auch Werner Schläfli, der Regionalleiter Berner Oberland von Pro Senectute. «Letztlich geht es um eine gute, würdige Altersbetreuung. Das ist zentral und da ist es nicht wichtig, ob eine Stadt oder eine Stiftung oder eine Aktiengesellschaft einen guten Job macht.»
Wie machen es die andern?
Gemeinden, die selber Altersheime betreiben, sind nur noch selten, der Trend geht völlig in die andere Richtung. Biel zum Beispiel mit seinen - noch - städtischen Betagtenheime hat den stadträtlichen Auftrag, die Heime in eine Betriebsgesellschaft auszulagern. «Der Stadtrat war der Auffassung, städtische Altersheime seien nicht mehr zeitgemäss», bestätigt Amtsleiter Jürg Bohnenblust.
Bern hat seit langem keine eigenen Altersheime mehr, die werden von einer Profi-AG betrieben. «Altersheime sind kein Kerngeschäft einer Stadt mehr. Die Finanzierung ist klar, die Kontrolle durch den Kanton auch. Keiner kommt hier auf die Idee, daran etwas zu ändern», sagt Rita Gisler, Leiterin des städtischen Alters- und Versicherungsamtes.