Der Mann hat den Missbrauch von über 100 Behinderten in mehreren Heimen gestanden. Wegen Verjährung geht es vor Gericht noch um 33 Fälle, der Prozess begann mit der Befragung des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn der Schändung, der sexuellen Handlungen mit Kindern, Abhängigen und Anstaltspfleglingen, Pornografie sowie Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs.
Die Einvernahme am Montag hinterliess ein zwiespältiges Bild. Auf der einen Seite ist sich der Angeklagte seiner Taten bewusst und ist auch bereit, Strafe und Therapie auf sich zu nehmen. So sei es auch richtig, dass er im vorzeitigen Strafvollzug stecke. So könne er niemandem mehr gefährlich werden, sagte er. Auf der anderen Seite sei er entsetzt gewesen, was man ihm vorwerfe, er sei bei seinen sexuellen Kontakten mit Kindern und Jugendlichen auch von Einvernehmlichkeit ausgegangen. Er habe sich nie jemandem anvertraut, weil er seinen geliebten Beruf als Heimbetreuer nicht habe verlieren wollen.
Den Antrag für das Strafmass stellt die Anklage am Dienstag. Zeugen befragt das Gericht nicht. Bei den Opfern handelt es sich mehrheitlich um schwerstbehinderte Jugendliche und Kinder. Ihre Anwälte vertreten sie als Privatkläger. Für die Zivilklagen auf Schadenersatz und Genugtuung kommt es möglicherweise noch am Montag zu einem aussergerichtlichen Vergleich.
Im Kanton Aargau aufgeflogen
Die Missbräuche begannen 1982 und erstreckten sich auf eine Zeitdauer von 29 Jahren. Ans Licht kamen die Taten im März 2010 im Kanton Aargau, nachdem zwei Bewohner eines Behindertenheims ihren Eltern von sexuellen Kontakten mit ihrem Betreuer erzählt hatten. Der Mann wurde darauf an seinem Wohnort im Berner Oberland verhaftet. In der Folge gab er die zahlreichen früheren Missbräuche zu.
Der Fall löste Bestürzung und Entsetzen aus
Die Heimbranche musste sich unangenehme Fragen gefallen lassen zur Tatsache, dass der Sozialtherapeut immer wieder neue Anstellungen gefunden hatte, obwohl er zum Teil als schwierig und unkooperativ eingeschätzt wurde.
Heime und Behindertenverbände lancierten daraufhin eine Charta unter dem Titel «Wir schauen hin!». Die Unterzeichner verpflichteten sich darin zu einer Null-Toleranz-Politik und zu Präventionsmassnahmen. Über eine nationale Meldestelle entscheiden die Heim-Gremien in den nächsten Tagen.