Der Kanton Neuenburg ist nicht zimperlich, wenn es darum geht, die eigene Bevölkerung davon abzuhalten, sich in ausserkantonalen Spitälern behandeln zu lassen. Die freie Spitalwahl ist zwar seit 2012 in der ganzen Schweiz gültig, auch für Leute ohne Zusatzversicherung.
Aber nun hat Neuenburg den Tarif für ausserkantonale Behandlungen in Spitälern, die nicht auf der Neuenburger Spitalliste stehen, massiv gesenkt, von 9'650 auf 9050 Franken.
Berner Spitäler wie das Spitalzentrum Biel oder die Spitäler im Berner Jura legen also bei jedem Neuenburger Patient ein paar hundert Franken drauf. Oder die Patienten müssten etwa fünf Prozent der Kosten selber bezahlen. Der Kanton Freiburg wendet ebenfalls einen reduzierten Tarif an, allerdings ist er deutlich höher als das Neuenburger Dumping-Angebot.
Wir sind nicht klageberechtigt.
Das Manöver der Neuenburger Gesundheitsdirektion zum Schutz der eigenen Spitäler kommt in der Nachbarschaft nicht gut an. Reihum wird es als offensichtlicher Trick taxiert, die freie Spitalwahl auszuhebeln und die eigene Bevölkerung finanziell unter Druck zu setzen.
Aber der Kanton Bern verzichtet auf eine Klage vor Bundesverwaltungsgericht. «Wir haben es abgeklärt. Der Kanton Bern ist nicht klageberechtigt», bestätigt bedauernd Annamaria Müller, die Leiterin des bernischen Spitalamtes.
Berner Spitäler reagieren - noch - grosszügig
Klagen müssten demnach Patienten aus dem Kanton Neuenburg. Oder allenfalls Spitäler zum Beispiel aus dem Kanton Bern, die von der Neuenburger Tarifsenkung direkt betroffen sind. Deshalb hat die Spitalgruppe Berner Jura beim Bundesverwaltungsgericht gegen den Kanton Neuenburg geklagt.
Das Spitalzentrum Biel und die beiden Spitäler des Berner Juras wollen allerdings die Kunden aus dem Kanton Neuenburg vorläufig nicht zur Kasse bitten. Im Jurabogen, wo die Kantone Bern, Neuenburg, Jura und Solothurn zusammentreffen, hat ein interkantonaler Patientenaustausch lange Tradition. Etwa sechs Prozent der stationären Patienten in Biel kommen aus anderen Kantonen. Tendenz steigend.
«Diese Leute vertrauen auf unsere Leistungsfähigkeit», begründet Bruno Letsch, der CEO des Spitalzentrums Biel die Grosszügigkeit. «Es ist ja nicht so, dass es sich hier um eine grosse Verlustposition handelt», sagt Bruno Letsch. Wer eine Spitalzusatzversicherung hat, ist vom Tarifstreit ohnehin nicht betroffen.
Dass sie sich damit bei den nächsten Tarifverhandlungen mit den Krankenkassen selber unter Druck setzen oder dass andere Kantone wie Jura oder Solothurn eine ähnliche Dumping-Übung erwägen könnten, hält Bruno Letsch für wenig wahrscheinlich. «Die Tarife in den Kantonen selber sind sehr ähnlich wie bei uns in Biel. Ein Grundtarif von 9'600 bis 9'700 Franken ist anerkanntermassen realistisch und kostendeckend.»