Laut Experten leben zur Zeit etwa 50 Wölfe in der Schweiz. Jetzt, da es kalt ist, wagt sich der Wolf eher aus seinem Jagdgebiet heraus und kommt in die Nähe des Menschen. Aktuell sorgt eine Wolfssichtung in St. Gallen für Schlagzeilen. Grund zur Sorge gebe es deswegen aber nicht, sagt der Solothurner David Gerke, Präsident der Gruppe Wolf Schweiz.
SRF: Sie sind Jäger, Hirte und Wolfsschützer in einem. Ist das nicht widersprüchlich?
David Gerke: Ich denke nicht, dass dies ein Widerspruch ist. Als Jäger sehe ich den Wolf nicht als Konkurrenten, sondern als Jagd-Kameraden. Als Hirte bin ich der Meinung, dass es Lösungen gibt, um seine Herde zu schützen. Man kann mit dem Wolf zusammenleben.
Was fasziniert Sie am Wolf?
Grundsätzlich ist der Wolf für mich ein normales einheimisches Wildtier. Ich halte den Wolf nicht für wichtiger als etwa ein Reh, einen Spatzen oder eine Bachforelle. Aber der Wolf wird bekämpft, gehasst, teilweise auch verklärt. Dieser extreme Umgang mit dem Wolf macht dieses Tier für mich besonders faszinierend. Ich möchte mich für den Wolf einsetzen, weil ich überzeugt bin, dass es in der Natur keine bösen oder schlechten Tiere gibt. Es gibt Wildtiere, und auch sie haben ihre Daseinsberechtigung.
Sie sind ein entschiedener Gegner der Wolfsjagd. Gibt es für Sie eine Grenze bei der Sie sagen: Wenn diese überschritten wird, ist es legitim, den Wolf zu schiessen?
Diese Grenze gibt es. Allerdings geht es dabei nicht um die Anzahl, sondern um die Qualität – also um das Verhalten. Sollte es einem einzelnen Wolf wiederholt gelingen, Herdenschutzzäune zu überwinden, Wachhunde auszutricksen oder wenn ein Wolf die Scheu vor dem Menschen verliert, dann sollte man diesen Wolf abschiessen. Das wäre dann aber keine reguläre Bejagung nach Anzahl, sondern eine gezielte Jagd auf einen einzelnen Wolf. Die allermeisten Wölfe respektieren aber die Herdenschutzmassnahmen sehr gut.
Das Gespräch führte Ralph Heiniger.