Alle Ostschweizer Parlamentssitzungen sind verschoben oder abgesagt. Mit bis zu 120 Personen in einem Raum können die Vorschriften zu Abstand und Hygiene nicht eingehalten werden.
Damit sind die Parlamente vorläufig blockiert. Sie müssen zuschauen wie die Regierungen wichtige Entscheide im Zusammenhang mit der Corona-Krise im Alleingang fällen. Und auch andere wichtige Geschäfte, wie beispielsweise die Spitalplanung im Kanton St. Gallen oder die Debatte über ein neues Kulturkonzept in Graubünden bleiben liegen.
Der Staatsrechtler Andreas Kley, von der Universität Zürich spricht von einer gefährlichen Situation. Er empfiehlt den Parlamenten alles daran zu setzen, um so schnell als möglich wieder handlungsfähig zu werden.
SRF News: In Zeiten von Corona wurde unglaublich schnell vieles auf digitale Kommunikation umgestellt. Warum können die Parlamente da nicht einfach gleichziehen?
Ja eigentlich denkt man, wenn die Wirtschaft das kann, dann geht das doch auch in der Politik. Es gibt da aber ein ganz grosses Problem: Das Verfahrensrecht. Dieses gibt vor, dass die vom Volk gewählten Parlamentarier und Parlamentarierinnen zum Beispiel in einem Parlamentsgebäude zusammenkommen müssen für eine Debatte. Diese physische Präsenz ist bei einer Videokonferenz nicht gewährleistet. Um dies zu ermöglichen, müsste man Sondervorschriften erlassen, ähnlich wie beim E Voting. Dies würde aber viel Zeit brauchen.
Wie problematisch ist es, wenn kantonalen Parlamente einige Wochen oder Monate nicht tagen können?
Im Regelfall kann man durchaus einmal eine Sitzung ausfallen lassen. Wenn jedoch wichtige Geschäfte traktandiert sind, wenn es um Budgets und Gesetzesvorlagen geht, dann wird es problematisch.
Was bedeutet es, wenn Regierungen über eine längere Zeit Entscheide fällen, ohne dass die Parlamente Einfluss nehmen können?
Es kommt zu einer Machtverschiebung. Eine Regierung übernimmt sehr viele Aufgaben vom Parlament, sie trifft wichtige Entscheide oder Vorentscheide. Diese dann nachträglich abzuändern, wird für ein Parlament sehr schwierig.
Wir haben es hier nicht nur mit einer Corona-Krise, sondern auch mit einer Art Krise der Demokratie zu tun.
Wir haben es hier nicht nur mit einer Corona-Krise, sondern auch mit einer Art Krise der Demokratie zu tun. Das ist gefährlich und da muss man Gegensteuer geben. Die Parlamente müssen immer involviert sein, ohne Parlament gibt es keine Demokratie.
Was empfehlen Sie den Parlamenten in der aktuellen Situation?
Ich halte es für zwingend, dass die Parlamente baldmöglichst dringende Geschäfte und allenfalls auch Notverordnugen der Regierungen beraten können. Die Verantwortlichen müssen schnell Lösungen finden. Sie können ja andere, grössere Sitzungssäle suchen, beispielsweise in einer Messehalle, damit man den Abstand wahren und die anderen Regeln des Bundes einhalten kann.
Das Gespräch führte Sara Hauschild.