Wo ist mein Check-In-Schalter? Wie gelange ich zur Bye-Bye-Bar? Und wo finde ich zum Abflug-Gate? Wer sich am Flughafen Zürich nicht gut auskennt, soll sich künftig auf künstliche Intelligenz in der «Google Maps»-App verlassen können: Man zückt das Smartphone, filmt mit der Kamera kurz die Umgebung, und schon zeigt einem die App mit grossen Pfeilen auf dem Display an, in welche Richtung man gehen muss, um ans Ziel zu gelangen.
Die Funktion sei «kinderleicht» zu bedienen, sagt Mark Schwarz vom Flughafen Zürich: «Die App erkennt auch, wenn man sich im Obergeschoss befindet und zeigt einem den Weg zur nächsten Rolltreppe. Die Navigation soll sich anfühlen, als stünde einem eine ortskundige Person zur Seite.»
Künstliche Intelligenz mit Kinderkrankheiten
Drei Jahre lang arbeiteten Google und der Flughafen Zürich an der Entwicklung von «Live View». Unter anderem haben Google-Mitarbeitende mit einer 360-Grad-Kamera jeden Winkel der Flughafengebäude abfotografiert. «Diese Fotos sind unsere Referenzdaten», sagt Petra Ehmann von Google, «wir vergleichen die Aufnahmen der User mit unseren Bildern und bestimmen, wo im Flughafen Zürich sich der User gerade befindet.»
Wir müssen die App noch genauer kalibrieren
«Live View» ist bis jetzt erst als Beta-Version verfügbar – die Funktion kann also noch gewisse Kinderkrankheiten haben. Diese zeigten sich zum Beispiel beim SRF-Test. Um vom Check-In 2 zu einem bestimmten Geldautomaten im Check-In-1 zu gelangen, wählte die App einen Fussweg, der durch den Abflugbereich führt. Diesen Bereich kann aber nur betreten, wer ein gültiges Flugticket besitzt.
«Wir müssen die App noch genauer kalibrieren, um dies künftig auszuschliessen», sagt dazu Mark Schwarz vom Flughafen Zürich. Auch sonst werde «Live View» laufend verbessert und erweitert. So soll es irgendwann auch möglich sein, dass Flugpassagiere nur noch ihre Flugnummer eingeben müssen, und die App zeigt ihnen den genauen Weg von zu Hause bis zum Abfluggate an.
Bezahlt wird mit persönlichen Daten
Der digitale Fremdenführer ist in der «Google Maps»-Smartphone-App kostenlos verfügbar. Trotzdem hat die Funktion ihren Preis: unsere Daten. Wer die App nutzt, gibt Google nicht nur seine genauen Standortdaten bekannt, sondern beliefert ihn mit aktuellen Aufnahmen aus dem Flughafengebäude. «Und es ist sehr intransparent, was Google mit diesen Daten macht», kritisiert Bruno Baeriswyl, langjähriger Datenschutzbeauftragter des Kantons Zürich und nun unabhängiger Datenschutz-Experte.
Die Funktion basiert auf künstlicher Intelligenz. Diese lebt davon, dass sie dazulernt und immer mehr Informationen sammelt
Google betont, die Aufnahmen der User würden nur zum Datenabgleich gebraucht. Trotzdem ist Baeriswyl skeptisch: «Die Funktion basiert auf künstlicher Intelligenz. Diese lebt davon, dass sie dazulernt und immer mehr Informationen sammelt. Darum kann ich mir nicht vorstellen, dass die Aufnahmen und Standortinformationen nicht gespeichert werden.» Ausserdem bestehe die Gefahr, dass Google die Daten kommerzialisiere. So könnte die App Nutzerinnen und Nutzer am Flughafen zum Beispiel an bestimmten Läden vorbeilotsen, die für diese Bevorzugung bezahlen.
Darauf angesprochen verneint Mark Schwarz vom Flughafen Zürich solche Absichten: «Wir wollen nur sicherstellen, dass unsere Besucherinnen und Besucher das, was sie suchen, besser finden.» Petra Ehmann von Google schliesst auf Anfrage nicht grundsätzlich aus, dass Google die Daten aus «Live View» kommerzialisiert: «Das ist noch sehr weite Zukunftsmusik. Zuerst wollen wir daran arbeiten, dass das Feature perfekt wird. Erst dann kann man sich Gedanken über alles Weitere machen.»