Im zweitgrössten Spital Graubündens arbeiten die Angestellten deutlich mehr als erlaubt. Die Zeitschrift «Beobachter» hat zwei Berichte des kantonalen Arbeitsinspektorats eingesehen, aus denen hervorgeht, dass es zahlreiche Verstösse gegen das Arbeitsrecht gibt.
Gemäss dem ersten Bericht vom Oktober 2023 sind 1171 Verstösse festgestellt worden. Konkret handelt es sich um «zahlreiche und verschiedene schwerwiegende Verstösse im Zusammenhang mit Arbeitsvorschriften und Ruhezeiten».
Später führte die Arbeitsaufsichtsbehörde eine weitere Inspektion durch und stellte im Dezember 2024 erneut «systematische Verstösse» fest. So arbeitete beispielsweise ein Assistenzarzt 32 Stunden am Stück an einem Wochenende.
Generelles Problem
Rudolf Leuthold, Direktor des Gesundheitsamts Graubünden, sagt gegenüber dem Radio und Fernsehen der rätoromanischen Schweiz (RTR), dass die Situation aller Spitäler in Graubünden schwierig ist. Das Arbeitsrecht sei nicht an die Situation angepasst, wie sie in den peripheren Spitälern Graubündens bestehe. «Es ist zu wenig flexibel, es wird zu wenig der Saisonalität gerecht und den kleinen Leistungserbringern im Gesundheitswesen», betont Leuthold. Für kleine Spitäler mit Hoch- und Nebensaison sei es nicht nur schwierig, Dienste zu planen, sondern auch Personal zu finden.
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Führe das dazu, dass die Qualität der medizinischen Versorgung nicht mehr gewährleistet sei, werde das Gesundheitsamt Massnahmen ergreifen. Im Moment gebe es aber keine Meldungen über medizinische Probleme im Spital Oberengadin. In extremen Fällen kann das Amt Massnahmen bis hin zur Schliessung des Spitals ergreifen.
Konzentration in Chur?
Es stellt sich die Frage, ob die medizinischen Leistungen in Chur konzentriert werden sollen und alle Menschen aus den verschiedenen Tälern diesen Weg auf sich nehmen müssen. Schon heute ist es so, dass schwere Fälle direkt in die Kantonshauptstadt gehen.
Für Peter Peyer, Regierungsrat und Gesundheitsminister von Graubünden, ist eine dezentrale Gesundheitsversorgung wichtig. Aber sie dürfe nicht zu Lasten des Personals gehen. Die Zusammenarbeit müsse verbessert werden.
«Wir reden nicht davon, dass wir Standorte schliessen wollen», betont Peyer. «Aber wir wollen die Leistungen kritisch überprüfen, die an diesen Standorten erbracht werden.» Komplexere Fälle müssten ins Zentrumsspital gehen, aber die Grundversorgung müsse in den Regionen auf jeden Fall gewährleistet bleiben. Das sei man der Bevölkerung schuldig, und nur so könnten die Siedlungen dezentral erhalten werden.
Prisca Anand, die neue Verwaltungsratspräsidentin des Spitals Oberengadin, sagte gegenüber RTR: «Es ist nicht gut, dass so viele Mängel und Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Arbeitsgesetz festgestellt wurden. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir intensiv daran sind, diese Mängel zu beheben.» Dies könne jedoch nicht von heute auf morgen geschehen. Für ein regionales Spital sei es schwierig, das notwendige Personal zu finden und die Arbeitsplanung durchzuführen. Dennoch erwarte die Bevölkerung den bestmöglichen Service.