In den meisten Fällen handelt es sich um Spezialistinnen und Spezialisten, die aus Ländern der Europäischen Union in die Schweiz gekommen sind. Dort haben Augenärzte nach Erhalt ihres Titels auch die Befugnis zum Operieren. In der Schweiz hingegen müssen Augenärzte dafür eine fundierte Ausbildung in Augenchirurgie absolvieren. Von ausländischen Fachkräften, die sich in der Schweiz niederlassen, wird darum verlangt, dass sie ihre Fähigkeiten in einer mündlichen Prüfung unter Beweis stellen.
Doch nicht alle halten sich daran. «Es gibt vereinzelt Fälle, in denen Praktiker die Anforderungen nicht erfüllen und ohne Genehmigung operieren», sagt Jean Vaudaux, der Präsident des Verbands der Waadtländer Augenärzte, gegenüber RTS. «Das ist problematisch im Hinblick auf die Patientensicherheit.» Aber auch versicherungstechnisch sei es heikel. Denn nur wer über die erforderliche Qualifikation verfüge, um Operationen durchzuführen, dürfe gegenüber der obligatorischen Krankenpflegeversicherung abrechnen.
Nach Angaben der Schweizerischen Ophthalmologischen Gesellschaft erfüllen im Kanton Waadt ein halbes Dutzend Fachärzte die Bedingungen nicht. Ähnliche Fälle gebe es in anderen Kantonen. Einige dieser Ärzte seien zur mündlichen Prüfung angetreten, seien aber durchgefallen.
Krankenkassen weisen Schuld von sich
Wenn die Krankenkassen weiterhin die Kosten chirurgischer Eingriffe dieser Fachärzte übernehmen, liegt das daran, dass sie sich der Problematik oft nicht bewusst sind. Die Kontrollen seien umso komplizierter, als ein Augenarzt ohne fundierte Ausbildung das Recht habe zu operieren, sofern er von einem korrekt ausgebildeten Arzt beaufsichtigt wird, erklärt Ivo Giudicetti, Sprecher von Santésuisse, einem der grossen Dachverbände der Versicherer.
Die Krankenkassen schieben den Ball den Kantonen zu. Sie seien fürs Erteilen der Berufsbewilligungen zuständig. «Die Gesundheitsberufe werden durch die Kantone reguliert und überprüft», sagt Ivo Giudicetti. «Die Versicherer können nur prüfen, was auf der Rechnung steht.»
Geringes Risiko für Patienten
Der Waadtländer Kantonsarzt Karim Boubaker ist vor einigen Monaten vom kantonalen Verband der Augenärzte alarmiert worden. Er bedauert diese Unregelmässigkeiten, relativiert aber die Risiken. «Die meisten der betreffenden Ärzte haben während ihrer Ausbildung gelernt, diese chirurgischen Eingriffe durchzuführen», versichert er.
Ob es nun Sanktionen geben werde, dazu will Boubaker noch keine Stellung nehmen. «Wir werden ihnen schreiben und sie bitten, mit dem Praktizieren aufzuhören und erklären, warum», sagt er. Und er ruft die Patientinnen und Patienten zur Wachsamkeit auf. Im Zweifelsfall lohne es sich, bei den Gesundheitsfachkräften nachzufragen, ob sie über die dafür erforderlichen Qualifikationen verfügen.