«Die Hoffnung ist, dass der Krebs dadurch nicht wiederkommt.» Das sagt Janucz Racz, Patient Nummer eins von etwa 130 Patienten, die an der Studie des ersten Impfstoffs gegen Lungenkrebs teilnehmen werden. Es ist ein sogenannter mRNA-Impfstoff, entwickelt von der deutschen Firma Biontech. Die klinische Studie befindet sich in Phase 1. Sie wird nicht vor 2027 abgeschlossen sein.
SRF News: Ist dieser mRNA-Impfstoff ein erster Schritt zur Heilung von Krebs?
Franco Cavalli: Nein, so kann man das nicht sagen. Es muss auch betont werden, dass es bereits Impfstoffe gegen Krebs gibt, die sehr gut funktionieren, wie zum Beispiel die Impfstoffe gegen tumorauslösende Infektionen, wie das Papillomavirus oder das Hepatitisvirus.
Bei den therapeutischen Impfstoffen stecken wir noch in den Kinderschuhen.
Was bedeutet dieser neueste mRNA-Impfstoff für die Forschung?
Sicherlich, dass die grundlegenden Forschungsstränge in der Krebstherapie bestehen bleiben. Abgesehen von der klassischen Chemotherapie, die zwar etwas an Bedeutung verliert, aber bei den meisten Krebsarten immer noch nützlich ist. Dann gibt es die sogenannten Smart Drugs, die direkt auf die genetischen Anomalien abzielen, die eine bestimmte Art von Tumor verursachen, oder die Immuntherapie im Allgemeinen, die die Prognose bei nicht operierbarem Lungenkrebs grundlegend verändert hat.
Inwiefern?
Die Immuntherapie hat eine Verbesserung ermöglicht, die es seit 50 Jahren nicht mehr gegeben hat. Diese intelligenten Medikamente haben die Therapieergebnisse bei nicht-kleinzelligen Karzinomen, die etwa drei Viertel der Lungenkrebsfälle ausmachen, zweifellos erheblich verbessert. Bei den therapeutischen Impfstoffen stecken wir noch in den Kinderschuhen.
Was ist, vereinfacht gesagt, das Prinzip dieser Impfstoffe der neuen Generation?
Es geht darum, ein Protein zu produzieren, das dann eine Antikörperreaktion auslöst. Diese Proteine sind die Antigene, die Tumore auf ihrer Oberfläche haben. Allerdings muss man etwas betonen: Diese Antigene sind schwach, anders als beispielsweise die viralen oder bakteriellen Antigene von Infektionen. Während unser Immunsystem bei Infektionen sehr stark mit der Bildung von Antikörpern reagiert, ist die Reaktion bei Tumoren viel schwächer. Es ist schwierig, Antikörper gegen diese Tumorzellen zu aktivieren.
Man geht heute davon aus, dass diese Impfstoffe nicht die einzige Therapie sein können, sondern nur eine Ergänzung in Kombination mit anderen Therapien.
Was heisst das?
Man geht heute davon aus, dass diese Impfstoffe nicht die einzige Therapie sein können, sondern nur eine Ergänzung in Kombination mit anderen Therapien. Vor allem auf präventiver Ebene, beispielsweise bei einer Operation eines Lungentumors. Diese Patienten haben oft nach zwei oder drei Jahren einen Rückfall, weil zum Zeitpunkt der Operation irgendwo Tumorzellen vorhanden waren, die wir nicht sehen konnten. Trotz all unserer Methoden, einen Tumor zu entdecken, muss ein solcher etwa eine Milliarde Zellen haben, um gesehen zu werden.
Könnten diese Impfstoffe dann auf die überlebenden Zellen abzielen?
Das ist in etwa die Idee. Wenn aber ein entwickelter Tumor vorhanden ist, der gut sichtbar ist – mit sieben bis acht Milliarden Tumorzellen –, werden Impfstoffe allein wahrscheinlich relativ wenig ausrichten. Diese Impfstoffe können als Hilfsmittel dienen. Sie können vor allem in dem Stadium eingesetzt werden, in dem man das Gefühl hat, dass Krebszellen vorhanden sind, die man nicht sehen kann.
Das Gespräch führte Stefano Pianca von RSI.