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Nachhaltige Anlagen Grüne Fonds finanzieren Klima-Verschmutzer

Nachhaltige Investmentfonds investieren Milliarden Dollar in die umweltschädlichsten Industrien der Welt, ohne dabei gegen die Vorschriften zu verstossen. Dies zeigt eine internationale Recherche unter Beteiligung von RTS.

Nachhaltige Fonds sind beliebt. Mit ihnen lässt sich finanzieller Gewinn erzielen und gleichzeitig ein Beitrag leisten zum Schutz unseres Planeten. Ein internationales Rechercheteam hat die Investitionen von mehr als 4000 Fonds untersucht, die in Europa verkauft werden und die in einer Datenbank des Londoner Börsenbetreibers LSEG erfasst sind. Beteiligt war das Westschweizer Radio und Fernsehen RTS.

Die Methode

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Für diese Recherche haben RTS, Voxeurop und mehrere Medien des Europäischen Netzwerks investigativer Journalisten (EIC) Finanzdaten über Investmentfonds unter die Lupe genommen, die von der London Stock Exchange Group (LSEG) zusammengestellt wurden.

Sie analysierten die Zusammensetzung der Fonds, Stand Ende des dritten Quartals 2023. Bei diesen Fonds, die von den Fondsmanagern selbst als nachhaltig oder grün bezeichnet werden, suchten sie nach Investitionen in die 25 Unternehmen mit den höchsten CO₂-Emissionen in acht kritischen Sektoren: Energie, Automobilindustrie, Luftfahrt, Kohle, Stahl und Mineralien, Schifffahrt, Mode, Landwirtschaft und Agrochemie. Der Zementsektor wurde vom EIC nicht berücksichtigt, aber RTS behielt ihn bei, da Holcim der grösste CO₂-Emittent der Schweiz ist.

Die Berechnung des CO₂-Fussabdrucks umfasst direkte Emissionen, die durch die Produktion erzeugt werden, und indirekte Emissionen, die insbesondere mit Lieferanten oder der Nutzung der Endprodukte zusammenhängen. Was die Schweizer Fonds betrifft, so werden viele von ihnen nicht in der Europäischen Union angeboten. Sie unterliegen nur dann ihrer Gesetzgebung und müssen nur dann über ihre Nachhaltigkeit informieren, wenn sie in Europa verkauft werden.

Zu beachten ist, dass es sich hierbei um eine Momentaufnahme der Fonds handelt, die am Ende des dritten Quartals 2023 bestand. Die Zusammensetzung der Fonds kann sich seitdem aufgrund von Käufen und Verkäufen geändert haben.

Dabei zeigt sich: Die als grün geltenden Vehikel haben insgesamt 87 Milliarden Dollar (77.7 Milliarden Franken) investiert in Unternehmen mit den höchsten CO₂-Emissionen. Wenn man diese Unternehmen in Sektoren unterteilt, dann steht die Erdöl- und Gasbranche an der Spitze. Sie hat 33 Milliarden Dollar erhalten.

Allein Total Energies hat etwas mehr als 10 Milliarden aus diesen nachhaltigen Fonds erhalten und gleichzeitig neue Erdölfelder erschlossen. Hinter dem französischen Unternehmen folgen Shell und Inditex, die Eigentümerin von Zara (jeweils über 5 Milliarden). Exxon, das in Bezug auf seine Emissionsreduktionsziele als eines der schlechtesten der Branche gilt, erhielt mehr als 2.3 Milliarden.

Selbst Aramco, der Weltmeister im CO₂-Ausstoss, erhielt rund 270 Millionen Dollar. Auch die beiden grössten Klimaverschmutzer in der Schweiz, Holcim und Glencore, gehören zu den Nutzniessern. Sie erhielten eine Milliarde bzw. 600 Millionen von Anlagefonds, die angeblich nachhaltige Investitionen tätigen.

Stellungnahme der Schweizer Banken

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Die betroffenen Banken weisen darauf hin, dass sie sich an die in der Europäischen Union geltenden Regeln halten. In der Dokumentation der Fonds werde erwähnt, dass die Wirkung dieser Fonds in Bezug auf Nachhaltigkeit Grenzen habe.

So versichert die UBS, dass «das zentrale Ziel von UBS darin besteht, einen ständigen aktiven und konstruktiven Dialog mit kohlenstoffintensiven Unternehmen zu führen, um sie dazu zu bewegen, signifikante klimabezogene Veränderungen im Einklang mit den von UBS festgelegten Zielen vorzunehmen». Die grösste Bank der Schweiz zieht es vor, von innen heraus zu handeln statt bestimmte Unternehmen aus ihren nachhaltigen Fonds auszuschliessen, denn «im Falle eines sofortigen Ausschlusses wäre es konkret nicht mehr möglich, Einfluss auf die Aktivitäten dieser Unternehmen zu nehmen und sie auf dem Weg zu einem klimafreundlicheren Übergang zu begleiten».

Auch die Bank Pictet hat sich die Begleitung auf dem Weg zum Ausstieg aus den fossilen Energien auf die Fahnen geschrieben: «Unsere verantwortungsbewussten Anlagefonds (Art. 8 und 9 SFDR) investieren daher nur in Energieunternehmen, die sich verpflichten, ihre CO₂-Emissionen drastisch zu reduzieren und massiv in kohlenstoffarme Energien wie Solar- oder Windenergie zu investieren.»

Die Gruppe Edmond de Rothschild erinnert daran, dass sie «zusammen mit einer Gruppe von Investoren Resolutionen eingebracht hat, die zwei der grössten Erdöl- und Gasunternehmen der Welt (Shell und Total Energies) dazu auffordern, ehrgeizige Klimaziele im Einklang mit dem Pariser Abkommen festzulegen».

Schweizer Banken sind mit insgesamt 4,7 Milliarden investierten Geldern an diesem Geschäft beteiligt. An der Spitze steht die UBS (1.8 Milliarden), gefolgt von Pictet (961 Millionen) und Edmond de Rothschild (541 Millionen).

Von den «guten Absichten» Europas

Es handelt sich dabei nur um einen kleinen Teil der gesamten Investitionen der Banken und nichts davon ist illegal. Die Europäische Union hat im März 2021 Vorschriften erlassen, die alle Anbieter von Investmentfonds dazu verpflichten, über die Nachhaltigkeitsziele ihrer Produkte zu informieren. Diese Vorschriften gelten für alle Banken oder Unternehmen, die Fonds in der EU verkaufen, auch wenn sie ihren Sitz ausserhalb der EU haben.

Mit dieser Regelung wollte die EU die Transparenz verbessern, Greenwashing verhindern und die Industrie dazu bringen, die Energiewende zu finanzieren. «Die Absichten Europas waren gut», meint Fiona Frick, Gründerin der Genfer Firma Circe Invest, die sich auf die Integration von Nachhaltigkeit in Anlagestrategien spezialisiert hat. Die Kriterien seien jedoch nicht klar genug.

In ihrer überwältigenden Mehrheit beschränken sich die Manager darauf, Unternehmen auszuschliessen, die zu sehr von Kohle, Tabak oder Waffen abhängig sind. Dennoch tragen die Investitionen unmissverständliche Namen wie «carbon neutral», «low carbon», «sustainable equities» oder «socially responsible». Dem Anleger oder der Anlegerin bleibt nichts anderes übrig, als sich selber gründlich zu informieren, wie umweltfreundlich die Anlagen wirklich sind.

Die Europäische Union ist sich des Problems bewusst. Sie hat im letzten Jahr eine Konsultation zur Verbesserung dieser Vorschriften eingeleitet.

Mitarbeit: Tybalt Félix, Stefano Valentino und Giorgio Michalopoulos (Voxeurop)

Mit «dialog» einen Blick über die Sprachgrenzen werfen

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Dieser Artikel erschien zuerst auf RTS und wurde durch die «dialog»-Redaktion gekürzt und übersetzt. Die Originalversion können Sie auf  RTS lesen.

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RTS, La matinale, 25.6.24, 7 Uhr

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