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Bildschirm-Foto eines Spiels auf der Plattform Roblox, das eine Gewaltszene darstellt.
Legende: Bildschirm-Foto eines Spiels auf der Plattform Roblox, das eine Gewaltszene darstellt. RTS

Radikalisierung Minderjähriger Wie der IS über Videospiele zum «E-Jihad» aufruft

Der Islamische Staat nutzt Plattformen für Videospiele, um Jugendliche zu indoktrinieren. Das zeigt eine Recherche des Westschweizer Fernsehens RTS. Die Terroristen nutzen dabei soziale Netzwerke, herunterladbare Spiele für Handys und Foren, die bei Kindern beliebt sind.

Die ersten Haken werden im sozialen Netzwerk ausgeworfen, das bei Kindern am beliebtesten ist: auf TikTok. Dort werden Bilder aus Videospielen verbreitet. Die Sequenzen sind sehr gewalttätig. Sie zeigen Nachstellungen von Hinrichtungen oder Selbstmordattentaten. Die Ausschnitte stammen aus Spielen der Plattform Roblox, die im Google Play Store heruntergeladen werden kann.

Ein Team von RTS konnte einen Ausschnitt aus einer Nachstellung der Schlacht von Falluja sehen. Irakische Regierungstruppen kämpften dort 2016 gegen den Islamischen Staat.

Ein anderes Video zeigt, wie ein mit einer Bombe ausgerüstetes Auto auf ein gepanzertes Fahrzeug der US-Armee zurast. Die Gruppe, die hinter diesen Nachstellungen steht, trägt einen Namen, der keine Zweifel aufkommen lässt: der Islamische Staat von Roblox. Zu ihren bisher besten Zeiten im Jahr 2023 zählte diese Gruppe 200 Mitglieder.

RTS hat diese Videoausschnitte Jean Langlois-Berthelot vorgelegt. Er ist Berater beim französischen Verteidigungsministerium und forscht zu diesem Thema. Seiner Meinung nach handelt es sich um «Personen, die vergangene Aktionen simulieren, wie die Schlacht von Falluja, oder neue Szenarien erfinden, was sehr beunruhigend ist, da es sich um Simulationen zukünftiger Operationen handeln kann».

Spielgruppe schon mehrfach von Roblox verbannt

Die Gruppe wurde bereits mehrfach von der Spieleplattform Roblox verbannt. Das im US-Bundesstaat Kalifornien ansässige Unternehmen reagierte nicht auf Anfragen von RTS. Unterdessen breitet sich die Gruppe auf Seiten aus, die bei Kindern beliebt sind, wie auf Fandom, einer amerikanischen Plattform für Fans von Science Fiction. In einem Forum auf dieser Plattform erklären die Anführer, wie es ihnen gelungen ist, eine Community um sich zu scharen. Sie fordern das Publikum auf, sich dem, wie sie es nennen, «E-Jihad» anzuschliessen.

Untermauert wird das mit Fotos von Handfeuerwaffen und Munition sowie mit Flaggen, die an jene der Terroristen erinnern. Auf der Seite hat es Links, die direkt zu Propagandavideos führen, in denen Kämpfe und Enthauptungen zu sehen sind.

Mehr Meldungen wegen Radikalisierung in der Waadt

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In der Schweiz ist nicht bekannt, wie viele Minderjährige für eine Radikalisierung als gefährdet gelten. Im Kanton Waadt ist ein klarer Trend nach oben sichtbar. Dort gib es ein Pilotprogramm für die Prävention von Radikalisierung. Von allen Fällen, die seit 2018 gemeldet wurden, ging es bei mehr als 40 Prozent um Minderjährige. Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am vergangenen 7. Oktober sind doppelt so viele Meldungen wegen Radikalisierung eingegangen als zuvor.

RTS hat all das dem Bundesamt für Polizei (Fedpol) vorgelegt. Das Fedpol wollte sich nicht zu einer bestimmten Plattform äussern. Aber es schrieb per Mail: «Was die Radikalisierung junger Menschen betrifft, können wir bestätigen, dass sich dieses Phänomen zunehmend auch in Online-Chats manifestiert.»

Nachdem RTS nachgefragt hatte, hat die Plattform Fandom die fragliche Seite entfernt. Sie weigerte sich aber, Fragen zu deren Inhalt zu beantworten. Einer der Spieler dieser Gemeinschaft wurde 2023 in Singapur verhaftet. Es hiess, er habe einen Anschlag in Australien verüben wollen.

Minderjährige in der Schweiz verhaftet

In der Schweiz sind seit Anfang des Jahres sechs Minderjährige im Zusammenhang mit Terrorismus verhaftet worden. Darunter auch der 15-Jährige, der sich zu der Messerattacke vom 2. März auf einen orthodoxen Juden in Zürich bekannte. In zwei Propagandavideos, die RTS sehen konnte, wurde er vom Islamischen Staat als Vorbild dargestellt. Sie waren auf einer inzwischen abgeschalteten Website zu sehen.

Mit «dialog» einen Blick über die Sprachgrenzen werfen

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Dieser Artikel erschien zuerst auf Französisch und wurde durch die «dialog»-Redaktion übersetzt. Die Originalversion können Sie auf  RTS lesen.

«dialog»  ist das Angebot der SRG, das mit Debatten und dem Austausch von Inhalten Brücken baut. Es will Menschen in allen Sprachregionen sowie Schweizerinnen und Schweizer im Ausland näher zusammenbringen.

RTS, 26.05.2024, 19:30 Uhr

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