In den Wäldern von Bahia, Brasilien, zeugen 150 Jahre alte Relikte von einer dunklen Geschichte. «Dort unten war der Bauernhof», erzählt Obeny dos Santos, ein Bewohner der Gegend. «Und hier unten wurden die Sklaven eingesperrt und gefoltert.» Der Hof gehörte Schweizer Siedlern, die Sklaven besassen. In der Nacht wurden sie mit Ketten an einen Metallpfosten gefesselt, es gab keine Chance zu fliehen.
Schweizer Behörden streiten ab
Die Schweizer Behörden haben stets bestritten, an den Schrecken der Sklaverei beteiligt gewesen zu sein. Einige Financiers und Kaufleute seien an der Zwangsausbeutung beteiligt gewesen, aber hinter dem Rücken der Eidgenossenschaft.
Der Historiker Hans Fässler widerspricht dieser Ansicht. Im Bundesarchiv präsentiert er ein aussergewöhnliches Schriftstück: einen Bericht des Bundesrats aus dem Jahr 1864 über Schweizer Sklavenhalter in Brasilien.
Die erste Feststellung: Der Bundesrat ist über die Situation gut informiert. Er kennt sogar den Preis für einen Sklaven: zwischen 4000 und 6000 Schweizer Franken.
«Dieser Bericht ist wirklich ein sehr wichtiges Dokument für die Kolonialgeschichte der Schweiz», sagt Hans Fässler. «Zum ersten Mal taucht die Frage der Sklaverei im Schweizer Parlament auf. In dem Bericht gibt der Bundesrat zu, dass es Schweizer Plantagenbesitzer, Händler und auch Handwerker gab, die Sklaven besassen.»
Weltweite Spuren
Auch im kleinen Dorf Helvetia im Süden von Bahia finden sich Spuren aus dieser Zeit. Der Name erinnert an die Siedler aus dem Waadtland, Neuenburg oder Bern im 19. Jahrhundert. Kaffee und Kakao wurde angebaut, eine Produktion, die ohne Sklaven nicht möglich gewesen wäre. Rund 2000 Sklaven gab es dort. So waren etwa auch die Ur-Urgrosseltern von Maria Aparecida Dos Santos, einer heutigen Einwohnerin von Helvetia, aus Angola deportiert worden.
Sie hatten keine Privatsphäre, keine Freiheit und keine Würde.
«Die Sklaven lebten alle zusammengepfercht in einem grossen Stall», beschreibt sie. «Sie hatten keine Privatsphäre, keine Freiheit und keine Würde. Die Kolonialherren vergewaltigten die schwarzen Frauen.»
«Kein Verbrechen», das angezeigt werden konnte
Die Sklavenbesitzer wurden nie von den Schweizer Behörden behelligt. Schlimmer noch, der damalige Bundesrat verteidigte die Kolonialherren.
«Der Bundesrat sagt, dass die Sklaverei für diese Schweizer vorteilhaft und normal ist», sagt der Historiker Hans Fässler. So stehe es im Bericht von 1864. «Und es ist unmöglich, diesen 'armen' Schweizern ihr Eigentum zu nehmen, das sie legal erworben haben.»
Der Bundesrat sagt, dass die Sklaverei für diese Schweizer vorteilhaft und normal ist.
Die Ansicht des damaligen Bundesrats sei geweisen, dass die Sklaverei weder ungerecht noch unmoralisch sei, da sie kein Verbrechen beinhalte. Die Regierung sei der Ansicht gewesen, dass «die Bestrafung von Schweizern, die Sklaven besitzen, ungerecht, sittenwidrig und ein Akt der Gewalt» wäre.
«Der Bundesrat war die letzte Regierung des Westens, die das Verbrechen der Sklaverei banalisiert, gerechtfertigt und entschuldigt hat», betont Hans Fässler. Zu diesem Zeitpunkt hatten Frankreich oder die Niederlande die Sklaverei bereits abgeschafft und die USA folgte im Dezember 1865.