An einem Tisch mit Blick auf den Oeschinensee geniesst Roxanne ein Apéro-Plättli mit Käse und Wurst – allein. Die junge Frau aus dem kanadischen Quebec kam vor einigen Jahren auf den Geschmack des Alleinreisens und macht es seitdem immer wieder. «Ich bin wirklich stolz auf mich. Nicht jeder traut es, sich zu sagen: ‹Ich gehe raus ins Ungewisse, reise ohne jemanden›, und schafft es dann auch.»
Wie Roxanne reisen immer mehr Menschen allein und wecken damit das Interesse der Tourismusbranche, die verstärkt spezifische Angebote entwickelt.
Dieser Trend lässt sich online messen. Die Zahl der Suchanfragen für #solotravel bei Google hat sich innerhalb von fünf Jahren vervierfacht, auf Facebook haben entsprechende Gruppen Tausende von Abonnenten.
Spezielle Angebote und Plattformen für Alleinreisende
Ausserhalb der Schweiz ist der Trend gar noch populärer. In Japan hat sich eine ganze Industrie rund ums Alleinreisen entwickelt. Es gibt Karaoke-Bars, in denen man für sich allein einen Raum zum Singen mieten kann. Auch kann man Solo-Barbecues reservieren mit Minigrill für eine Person.
Reisebüros sind ebenfalls aufgesprungen. Les-covoyageurs.com war eins der ersten, das sich im Segment der Alleinreisenden positioniert hat: Es bildet Gruppen aus mehreren Alleinreisenden und hat aktuell 4000 Kunden pro Jahr.
Anders ausgerichtet ist «Nomad Sisters»: eine Plattform, die Reisende und Gastgeberinnen miteinander verbindet. «Ich finde die Idee gut, Frauen zu ermöglichen, sich beim Reisen wohl zu fühlen», erklärt Nicole gegenüber RTS, eine italienische Reisende auf ihrem Weg nach Genf. «Zudem kann man über die Plattform eine kostenlose Unterkunft bekommen, weil man nur die Mitgliedschaft bezahlen muss.»
Jugendherbergen und Single Rooms in Hotels
In Bern hat Jane aus Russland in einer Jugendherberge eingecheckt. Es ist bereits ihre sechste Soloreise, wie sie der RTS-Sendung «basik» verrät. «Russinnen und Russen, die es sich leisten können, machen meist All-inclusive-Urlaub. Es ist daher ziemlich schwierig, jemanden zu finden, mit dem man verreisen kann. Also bleibst du entweder zu Hause oder reist allein.»
Das koste sie mehr, sagt Jane. Um Geld zu sparen, übernachtet sie deshalb systematisch in Jugendherbergen: 60 Franken pro Nacht kostet das Bett in einem Achterzimmer inklusive Frühstück.
Auch die Hotelbranche will sich diesen Trend nicht entgehen lassen. So bietet die Fassbind-Hotelkette «Einzelzimmer» für Alleinreisende an – eine Zimmerart, die in vielen Hotels verschwunden ist. Die Preise hat die Kette angepasst. Die Übernachtung kostet im Durchschnitt 120 Franken inklusive Frühstück, also 40 Franken weniger als der Preis für ein Doppelzimmer bzw. drei Viertel des Preises für zwei Personen.
«Im geschäftlichen Kontext gab es bei uns schon immer Einzelreisende», erklärt Eric Fassbind, Direktor von By Fassbind, und fügt hinzu: «Der neue Trend sind diese Menschen, die allein in der Freizeit oder im Urlaub verreisen. Sie stellen eine neue Kundennische dar, die wir immer mehr auch in der Schweiz sehen».