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Umkämpfter Medikamentenmarkt Schweizer Apotheken stehen vor einem Umbruch

In vielen Teilen der Welt verschwinden lokale Apotheken. Sie fallen den steigenden Kosten und der wachsenden Konkurrenz durch Online-Händler zum Opfer. Die Schweiz blieb davon bisher verschont. Doch jetzt wächst auch hier der Druck zu Veränderungen.

Stationäre Apotheken befinden sich in vielen Ländern in der Krise. Die Kosten sind von der Energie bis zum Personal gestiegen, und Online-Händler erobern einen immer grösseren Anteil des Marktes. Im Juni verkündete zum Beispiel Walgreens, eine der grössten Drogerieketten in den USA, sie werde in den nächsten drei Jahren 25 Prozent ihrer 8600 Filialen schliessen.

In der Schweiz geht es den Apotheken noch vergleichsweise gut. Ihre Zahl ist seit 2008 mit rund 1800 stabil geblieben. Sie profitieren von stark regulierten Medikamentenpreisen. Das Bundesamt für Gesundheit legt einen Höchstpreis für Medikamente fest, der von den Krankenkassen erstattet wird. In diesem Preis ist ein fester Betrag enthalten, der den Apotheken für Logistik und Dienstleistungen wie die Kontrolle der Verpackungsetiketten gezahlt wird.

Ein Kunde lässt sich in einer Schweizer Apotheke beraten.
Legende: Christian Beutler/Keystone

Ausserdem gibt es in der Schweiz gesetzliche Hürden für den Online-Verkauf. Seit 2016 ist der Online-Verkauf von rezeptfreien Arzneimitteln wie Desinfektionscrèmes, Hustensaft und Ibuprofen ohne Rezept verboten. Und in der Schweiz werden immer noch keine elektronischen Rezepte ausgestellt. Andere Länder wie Dänemark haben bereits vor Jahren vollständig auf elektronische Rezepte umgestellt.

Deregulierung ist absehbar

Das Schweizer System hat bisher für Patienten und Apotheken gut funktioniert. Doch es zeigen sich erste Risse. «Die Schweizer Apotheken stehen unter Druck – sowohl finanziell als auch personell», sagt Gregory Nenniger, Leiter digitale Kommunikation bei PharmaSuisse.

Die von SWI swissinfo.ch befragten Apothekerinnen und Apotheker gaben an, dass die höheren Energiekosten und Löhne ihren Gewinn schmälern. Es werde immer schwieriger, ausgebildete Apotheker zu finden, die überhaupt in einer Apotheke arbeiten, geschweige denn eine bestehende Apotheke übernehmen wollten, so ein Berner Apotheker.

Der Mangel an Arzneimitteln verschärft die Situation noch. Laut der Website drugshortages.ch waren im Oktober 2024 in der Schweiz mehr als 1000 Medikamente, zumeist kostengünstige Generika, nicht verfügbar, verglichen mit rund 450 im Mai 2021. Die Suche nach Alternativen für Medikamente ist zeitaufwändig und verursacht Kosten, die durch das derzeitige System nicht erstattet werden.

Ausserdem steigt der politische Druck , den Online-Verkauf von rezeptfreien Arzneimitteln zu erlauben. Das soll dazu beitragen, die Arzneimittelpreise zu senken, und dem wachsenden Kundenwunsch nach Bequemlichkeit entsprechen. Auch die elektronische Verschreibungspflicht und andere Bemühungen um die Digitalisierung des Gesundheitswesens werden nachdrücklich befürwortet.

Was dies für die Zukunft der Apotheken in der Schweiz bedeutet, ist unklar. Grosse Ketten schlucken immer mehr stationäre Apotheken und legen den Grundstein, um einen grösseren Anteil am Online-Arzneimittelmarkt zu erobern.

Gian Marco Werro, Analyst für das Gesundheitswesen bei der Zürcher Kantonalbank, prognostiziert, dass sich die Gesamtzahl der Apotheken weiter verringern wird. Änderungen der Vorschriften für rezeptfreie Medikamente, die er für 2026 bis 2027 erwartet, würden ebenfalls «den Druck auf die stationären Apotheken erhöhen, da es für die Verbraucher einfacher wird, sich nach den besten Preisen umzusehen».

Echo der Zeit, 3.12.24, 18.00h;kobt

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