An den Ufern des Genfersees wiederholt sich die Szene immer wieder. François Lianni, seit dreissig Jahren Berufsfischer, kann seine Bestürzung kaum verbergen. «Dieses Jahr ist ein trauriger Rekord, was die Mengen angeht. Ich habe noch nie so wenig gefangen. Das ist das erste Mal, dass ich das sehe», sagt er gegenüber dem Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS).
Auch andere Fischer schlagen Alarm. Ihre Netze bleiben so leer, dass es kaum mehr zum Überleben reicht. Der Barsch, lange Zeit der häufigste Fisch im See, wird kaum noch gefangen. Und seit mehr als einem Jahrzehnt verschwinden nach und nach auch Felchen, Forellen und Saiblinge.
Laurent Charenton, Berufsfischer und Inhaber des letzten Ladens mit Fischereiartikeln in Lausanne, teilt dieses Gefühl der Trostlosigkeit: «Das Wasser ist wärmer als es früher war. Der Genfersee verwandelt sich in einen riesigen Teich mitten in den Bergen, in dem die Fische verschwinden.» Und er erinnert sich: «Vor dreissig Jahren konnten wir Seeforellen vom Seeufer aus fangen. Heute ist das sehr schwierig.»
Alarmierende Zahlen
Die französisch-schweizerischen Daten über die Fänge von Edelfischen sind unbestreitbar: Die Fänge von Berufs- und Hobbyfischern am Genfersee sind drastisch eingebrochen. Im Jahr 2014 wurden noch 30 Tonnen Seesaibling gefangen. Heute sind es weniger als 10 Tonnen. Die Felche, einst das Wahrzeichen des Sees, erlitt ein noch tragischeres Schicksal: Von 1000 Tonnen im Jahr 2014 sind die Fänge auf 200 Tonnen gesunken. Bei den Forellen von 15 Tonnen auf weniger als 10 Tonnen.
Dorian Baan, Spezialist in der Abteilung Biodiversität und Landschaft des Bundesamts für Umwelt, erklärt: «In Gewässern zu überleben, die sich erwärmen und deren Sauerstoffgehalt abnimmt, ist ein direkter Stress für diese Arten. Bei 15 bis 20 Grad ist es eine grosse Belastung, ab 20 Grad wird es für die Forellen langfristig fast tödlich.»
Negative Folgen für die Wirtschaft
Um besser zu verstehen, was unter der Wasseroberfläche vor sich geht, setzt ein Team von Biologen einen Unterwasserroboter ein. Das Ziel: die Brutstätten der Seesaiblinge in über 100 Metern Tiefe zu beobachten.
Aurélie Rubin, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Maison de la rivière in Tolochenaz, erklärt es so: «Mit den zunehmend milden Wintern durchmischt sich das Wasser nicht mehr. Dadurch gelangt kein Sauerstoff mehr in die Tiefe, und ohne Sauerstoff sterben die Eier ab.» Die Wissenschaftler sind überzeugt: Der Klimawandel, zusammen mit der menschlichen Verschmutzung, bedroht die Wasserfauna des Genfersees ernsthaft. «Wir müssen uns bewusst sein, dass wir einen direkten Einfluss auf diese Umwelt haben», betont Aurélie Rubin.
Das Verschwinden der Fische ist nicht nur ein ökologisches Problem. Es ist eine ganze Wirtschaft, die ins Wanken gerät. Die Restaurants an den Seen haben Mühe, sich zu versorgen. Aus Mangel an Saibling oder Barsch ist der Wels, der früher ein unerwünschter Anblick war, auf den Speisekarten aufgetaucht.
Eric Manent, Chefkoch im Le Creux de Genthod (GE), sagt: «Die Fischer haben es schwer, uns regelmässig mit Fisch zu versorgen. Wir passen uns dem an, was sie fangen können. Wir müssen uns um unseren See kümmern und ihn pflegen.»