Will man die gemeinsame Waschküche benutzen, muss man sich organisatorischen Zwängen unterwerfen. Man muss begrenzte Zeitfenster in Kauf nehmen und mehr oder weniger komplizierte Kartenaufladungen, und teils darf man sie am Sonntag nicht benutzen. Man findet Wäsche oder das verstaubte Flusensieb des Vorgängers vor – und den dazu passenden Zettel, um auf das Versäumnis aufmerksam zu machen.
Unbeliebtes Ritual
Dass dieses unumgängliche Brauchtum eine sehr schweizerische Eigenart ist, merkt man an den Reaktionen von Ausländerinnen und Ausländern, wenn sie die heilige Pforte der Waschküche das erste Mal durchschreiten. Emily Engkent, gebürtige Kanadierin und Produzentin bei SRF, lebt seit zehn Jahren in Zürich. Sie bezeichnet im Westschweizer Fernsehen RTS den Moment, als sie in die Schweiz gezogen ist, sogar als «Kulturschock» – und geht bis heute nicht gerne in die Waschküche.
Die Waschküche ist tatsächlich ein Ort für Nachbarschaftskonflikte: Jeder dritte Mieter regt sich jeden Monat darüber auf. Auf einen Aufruf von RTS gab es Rückmeldungen aus dem Publikum wie: «Die Hölle zwischen Hygienemangel und Nichteinhaltung des Zeitplans» oder «Wir fanden Exkremente in der Trommeldichtung!»
Für den Luzerner Anwalt Anton Bühlmann, der bis 2022 Präsident der kantonalen Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht war, überrascht das nicht. «Man stellt dort mit seiner Kleidung und Unterwäsche etwas extrem Persönliches zur Schau.» Ausserdem ist Bühlmann der Meinung, dass das System Waschküche nicht mehr dem Zeitgeist entspricht: Bei Paaren sind beide ausser Haus, Singles müssen alleine Arbeit und Haushalt bewältigen.
Droht das Waschküchen-Aus?
Auch deswegen werden bei Neubauten oft Anschlüsse oder gleich Waschtürme direkt in der Wohnung bevorzugt. Dies bedeutet aber noch nicht das Aus der Waschküche.
Es wird versucht, sie zu einem funktionalen, aber auch angenehmen Ort zu machen. In Lausanne hat die Genossenschaft «Le Bled» eine moderne, vernetzte Waschküche entworfen. Sie ist rund um die Uhr zugänglich und eine App zeigt die freien Maschinen an. Auch liegt sie nicht im dunklen Keller, sondern an der Oberfläche, neben einer Terrasse.
In der Siedlung Vieusseux, im Herzen von Genf, setzt man seit fast 100 Jahren auf die Waschküche als Begegnungsort. Angestellte kümmern sich um den Raum. Raja Hammi ist eine von ihnen. Sie unterstützt ältere Menschen, die Hilfe bei der Wäsche brauchen – oder übernimmt diese lästige Arbeit bei jüngeren, die kaum Zeit dafür finden. Es gibt auch Freiwillige, die hier die Trikots des örtlichen Fussballvereins waschen.
Es erinnert etwas an die Waschbrunnen; man kann sich Zeit nehmen, tratschen oder hier einfach einen Kaffee trinken. Eine erfüllende Arbeit, wie Hammi erzählt: «Die Menschen hier sind alle liebenswert, und das macht mich glücklich.»