SRF News: Was sind digitale Nomaden?
Lorenz Ramseyer: Digitale Nomaden arbeiten ortsunabhängig – rund um den Globus. Die meisten sind selbständig erwerbende Freelancer. Viele arbeiten im IT-Sektor. Es gibt aber auch Übersetzer, Journalisten und Influencer. Immer mehr Nomaden bieten Online-Beratungen an.
Digitaler Nomadismus ist aber auch ein Lifestyle. Man ist möglichst minimalistisch, mit wenig Habseligkeiten, unterwegs. Man braucht keine Wohnung zu mieten. So bleibt man flexibel.
Wie viele Schweizer leben als digitale Nomaden?
Es gibt keine Zahlen. Der Begriff ist nicht geschützt. Die Grenze zum klassischen Freelancer oder Home-Office-Arbeitenden ist fliessend. Die meisten Schweizer Nomaden sind Teilzeit-Nomaden.
Digitaler Nomadismus ist ein Lifestyle.
Den sicheren Hafen Schweiz gibt kaum jemand auf. In unserem Verein sind wir gegen 400 Mitglieder, die sich zu diesem Lebensstil bekennen. Sicher gibt es aber auch viele digitale Nomaden, die sich nicht als solche bezeichnen.
Wieso wählen nicht mehr Schweizer diesen Lebens- und Arbeitsstil?
Wir spüren, dass viele Schweizerinnen und Schweizer davon träumen, als digitale Nomaden loszuziehen. Das Bedürfnis wäre da, doch bei der Umsetzung hapert es. Digitale Nomaden geben viel auf und stürzen sich ins Ungewisse. Wir Schweizer sind nicht die mutigsten. Wir machen uns Sorgen um die Vorsorge und die Krankenkasse.
Wie attraktiv ist die Schweiz als Destination für digitale Nomaden?
Die Schweiz hätte eigentlich die besten Voraussetzungen digitale Nomaden anzusprechen: Eine wunderbare Landschaft und Bergwelt, inklusive Mobilfunknetz im hintersten Tal.
Die Schweiz hat die besten Voraussetzungen für digitale Nomaden.
Schweizer Städte sind fortschrittlich. Es gibt viele sogenannte Co-Working-Spaces. Dort kann ich temporär einen Arbeitsplatz mieten und mich mit Gleichgesinnten vernetzten. Arbeitsnomaden könnte man aber auch vermehrt in die Berge locken. Da sähe ich ein Potential.
Das grösste Hindernis aber ist das Image der teuren Schweiz. Viele digitale Nomaden nutzen die sogenannte «Geo-Arbitrage» – die weltweit unterschiedlichen Lohn- und Lebenshaltungskosten. Sie verdienen Franken oder Euros, während dem sie günstig in Asien oder Südamerika leben.
Wie wird sich das ortsunabhängige Arbeiten entwickeln?
Ich habe eine Job-Plattform für ortsunabhängige Stellen aufgebaut. Die Nachfrage bei den digitalen Nomaden war da. Aber kein grosses Unternehmen wollte Stellen ausschreiben. Dabei könnten bereits heute rund 50 Prozent der Arbeiten in der Schweiz ortsunabhängig erledigt werden.
In Zukunft wird es mehr digitale Nomaden geben.
Heute sind fast alle digitalen Nomaden selbständig erwerbend. In Zukunft werden auch grosse Unternehmen vermehrt auf ortsunabhängiges Arbeiten setzen. Zurzeit scheuen sich viele HR-Abteilungen noch davor. Es ist ein gewisser Kontrollverlust. Man muss den nomadisierenden Angestellten vertrauen, dass sie die Arbeit erledigen. Der Fachkräftemangel könnte das Umdenken beschleunigen.
Gibt es auch negative Aspekte?
Es ist sicher nicht jeder dazu gemacht, ein digitaler Nomade zu sein. Als digitaler Nomade brauchst du viel Selbstdisziplin. Du musst aufpassen, dass der Traum des Reisens nicht zum Albtraum wird. Dass du die Balance zwischen Arbeit und Freizeit auch an den schönsten Orten der Welt findest.
Ein weiterer Aspekt ist die Einsamkeit. Die Co-Working Spaces sind zwar wie die Wasserlöcher in der Tierwelt. Hier kommt man zusammen mit Gleichgesinnten. Aber meist sind es nur temporäre Bekanntschaften. Dann zieht man weiter. Es gibt mittlerweile aber auch Partnerbörsen für digitale Nomaden.
Der ökologische Fussabdruck ist ein Problem.
Auch ist der ökologische Fussabdruck ein wichtiges Stichwort. Er wird vermehrt diskutiert. Bei vielen überwiegt die Faszination fürs Reisen. Ich kenne aber auch digitale Nomaden, die nur mit dem Zug unterwegs sind.
Das Interview führte Fabio Flepp von «Schweiz aktuell».
(Schweiz aktuell, 19:00 Uhr)