Eineiige Zwillinge sind ein Faszinosum. Eine Person, die genauso aussieht wie man selbst, genauso tickt, die eigenen Vorlieben und Abneigungen teilt: eine schöne, aber auch irritierende Vorstellung – und für Forscher eine Laune der Natur, die sie als Traum-Setting bezeichnen.
Es gibt weltweit Zwillingsregister, in denen die Daten Hunderttausender Zwillinge erfasst sind – ein- und zweieiiger. Denn wenn sich die eineiigen in einem Merkmal stärker ähneln als die zweieiigen, ist das ein Hinweis auf genetische Ursachen.
Gleiche Gene, gleicher Geruch
Man weiss heute, dass eineiige Zwillinge mit der genau gleichen Ernährung und Lebensweise exakt gleich viel an exakt den gleichen Körpersstellen zunehmen – den Genen sei’s gedankt. Auch dass ihr Körpergeruch oft identisch ist und sie deshalb gleich beliebt bei Mücken sind, ist inzwischen nachgewiesen.
Noch spannender sind jedoch die Erkenntnisse über Umwelteinflüsse. Denn eineiige Zwillinge starten zwar mit der gleichen genetischen Grundausstattung ins Leben, doch dann hinterlässt die Zeit individuelle Spuren. Zu beobachten, warum beim einen Zwilling eine Krankheit ausbricht, beim anderen jedoch nicht, kann helfen, die Ursachen zu verstehen.
Was die Umwelt aus dem Menschen macht
Epigenetik nennt man diesen Bereich: im Wortsinne etwas, das zu der Genetik hinzukommt. Denn jede einzelne Zelle enthält zwar unser komplettes Erbgut, welche Bereiche davon aber aktiv sind, ist unterschiedlich – und auch durch äussere Einflüsse beeinflussbar. So entwickelt sich für jeden Menschen ein ganz eigenes Profil. Vereinfacht funktioniert das so:
Schon länger ist so dank Zwillingen klar, dass die Zeit im Mutterleib Folgen für das ganze Leben hat: Eineiige Babys kommen oft unterschiedlich schwer zur Welt, beispielsweise, weil ein Baby im Mutterleib schlechter versorgt wurde als das andere. Trotz identischem Erbgut bleibt häufig der leichtere Zwilling Zeit seines Lebens kleiner. Eine schwedische Studie zeigte, dass eineiige Zwillingsbrüder als Erwachsene im Schnitt einen Grössenunterschied von zwei Zentimetern haben – bei zweieiigen sind es fünf. Zudem hat das leichtere Neugeborene ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes oder Herz-Kreislauf-Krankheiten.
Und man weiss dank Untersuchungen an eiiigen Zwillingen auch, dass Fälle von Alzheimer in der Familie die Wahrscheinlichkeit erhöhen, selbst zu erkranken, aber längst keine Garantie dafür sind, selbst dement zu werden.
Spannende Familienkonstellationen
Auch Nachkommen eineiiger Zwillinge bilden für Wissenschaftler ein traumhaftes Forschungsfeld: Nie lassen sich Veränderung über Generationen hinweg so gut nachvollziehen. Denn die Kinder eineiiger Zwillinge sind beispielsweise mit dem Zwillingsbruder des Vaters genauso verwandt wie mit ihrem eigenen. Und demnach sind die Cousinen und Cousins wie Halbgeschwister. Weil diese Kinder üblicherweise in unterschiedlichen Haushalten aufwachsen, lassen sich die Einflüsse der Umwelt besonders gut nachverfolgen.
In der Erforschung der Leukämie haben vierjährige Zwillingsmädchen zu einem grossen Erkenntnisgewinn geführt. Wissenschaftler konnten eine Zelle isolieren, die beim erkrankten Zwilling anders ist als beim gesunden – möglicherweise die Ursache der Leukämie. Was genau jedoch beim einen Kind die Leukämie ausbrechen liess, ist unklar – möglicherweise war es eine Mutation in Folge einer Infektion.
Grosse Hoffnungen dank Zwillingen
Auch über Brustkrebs weiss man dank Zwillingen mehr. Untersucht wurden 70 eineiige Zwillingsfrauen mit familiär erhöhtem Brustkrebsrisiko. Aber nicht alle erkrankten – oder zu einem völlig unterschiedlichen Zeitpunkt. Seit einigen Jahren lassen sich epigenetische Profile erstellen – und die zeigten deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Pärchen: Bei den Krebspatientinnen waren bestimmte Gene deaktiviert, die die Krebserkrankung verhindern können – das könnte durch Umwelteinflüsse, aber auch traumatische Erlebnisse oder Stress passiert sein.
Das Gute daran: Wenn klar ist, wo genau die genetische Veränderung sitzt, können Therapien genau hier ansetzen und direkt am Erbgut ansetzen, um kritische, aktive, krebauslösende Gene zu deaktivieren. So lassen sich epigenetischen Markierungen wieder umkehren und Patienten heilen. Darin liegt die grosse Hoffnung der Medizin, der sie dank Zwillingen ein gutes Stück nähergekommen ist – erste Medikamente, zum Beispiel gegen Blutkrebs, gibt es bereits.
Zwilling sein – ein Erlebnis
Die Beziehung zwischen eineiigen Zwillingen ist eine ganz besondere. Einige der Besucher des diesjährigen Zwillingstreffens in Fribourg haben sich den Fragen gestellt:
Claudia und Gabi
Am häufigsten gestellte Frage: «Seid ihr wirklich so gleich?»
Wie kann man euch auseinanderhalten: «Wir haben uns auf Fotos schon selber nicht unterscheiden können!»
Das nervt am anderen: «Sie könnte lockerer sein.» (Claudia) – «Sie sagt manchmal Sachen, die sie machen will, aber nie macht.» (Gabi)
Lieblingsessen: «Erdäpfelstock und Brätkügel.» (Claudia) – «Das hab ich auch sehr gern, aber ich esse alles gern.» (Gabi)
Bester Zwillingsstreich: «Dazu waren wir viel zu schüchtern, das haben wir nie gemacht.»
Jennifer und Jessica
Am häufigsten gestellte Frage: «Seid ihr echt Zwillinge?»
Das ist anstrengend am Zwilling-Sein: «Wenn Leute «Ihr» sagen statt «Du».»
Das nervt am anderen: «Sie ist manchmal wie meine Mutter: laut und stur.» (Jennifer) – «Sie ist manchmal wie mein Vater: konfliktscheu.» (Jessica)
Lieblingsessen: «Landfrauenwähe» (Jennifer) – «Fondue» (Jessica)
Bester Zwillingsstreich: «Da gibt es eigentlich keine, nicht mal in der Schulzeit. Die Lehrer haben das zwar gemeint, aber gemacht haben wir's nie.»
Walter und Peter
Am häufigsten gestellte Frage: «Wie ist das als Zwilling?»
Das ist anstrengend am Zwilling-Sein: «Eigentlich nichts, Verwechslungen finden wir noch spannend, und wir hören auf beide Vornamen. Es ist eher eine gute Gelegenheit, Leute kennen zu lernen.»
Das nervt am anderen: «Der Walter ist eitel, da muss alles äusserlich stimmen.» (Peter) – «Wenn wir fast deckungsgleich sind, wird's bei mir wohl so sein wie bei ihm.» (Walter)
Das lustigste Zwillingserlebnis: «Verwechslungen, die sich nach Jahren auflösen – zum Beispiel, wenn Leute nach Jahren kapieren, dass wir zwei sind.»
Bester Zwillingsstreich: «In der Schule hat jeweils nur einer ein Gedicht gelernt und ist dann einfach zweimal drangekommen.»
Angela und Janina
Ein klassisches Zwillingsproblem: «Die kommen mit einer Partnerschaft, weil einem der Zwilling immer näher ist als der Partner. Deshalb ist es wichtig, darüber von Anfang an offen zu reden.»
Das ist anstrengend am Zwilling-Sein: «Nichts, auch nicht, wenn wir verwechselt werden. Uns ist es nicht so wichtig, wer wir sind, sondern dass man uns mag, wie wir sind, egal ob einzeln oder zusammen.»
Das nervt am anderen: «Sie ist immer ganz exakt in allem, bei mir ist die Fünf schneller einmal grade. Darum braucht es manchmal ein wenig Geduld, bis alles so ist, wie sie möchte.» (Angela)
Das lustigste Zwillingserlebnis: «Meine Schwester hat ein Kind bekommen, und ich wollte abends dann aus dem Spital. An der Rezeption wollten sie mich aber nicht gehen lassen, weil man nicht gleich verschwinden dürfe, kurz nachdem man geboren hat.» (Janina)
Lieblingsessen: «Fondue bourguignon!» (beide)
Brigitte und Susi
Am häufigsten gestellte Frage: «Wohnt ihr in der gleichen Stadt?»
Das nervt am anderen: «Sie war früher unpünktlich. Aber sonst sind wir quasi gleich.» (Brigitte) - «Sie hat immer gesagt, ich sei zu dünn.» (Susi)
Lieblingsessen: «Selbergemachte Gnocchi.» (Brigitte) – «Spätzli!» (Susi)
Bester Zwillingsstreich: «Das ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt – das behalten wir für uns!»