2008. Die Digitalisierung hatte die Tourismusbranche gerade «disruptiv» erfasst. Plattformen wie Booking, Tripadvisor oder Airbnb starteten durch. Was fehlte, war ein Vermittler für Reisetouren. In die Bresche sprangen fünf ETH-Studenten mit «Getyourguide».
Tobias Rein, einer der Gründer, programmierte die Urversion der Website, die zuerst gedacht war als studentische Plattform zur Vermittlung von Studierenden als Reiseführer für andere Studierende.
Die Idee war ein Flopp. «Wir waren nahe dran, aufzugeben», erzählt Rein. Aber dann meldete sich die Zürcher Kantonalbank und gab Startkapital. Damit konnten die Firmengründer ihre Plattform weiterentwickeln für professionelle Anbieter von Reisetouren und Touristen, die diese buchen wollten.
Das geschah in einem nur wenige Quadratmeter grossen Büro im Zürcher Technopark. Tobias Rein war lange nicht mehr hier, erinnert sich aber sofort wieder. «Der Server mit ‹Getyourguide› stand einfach so unter einem Schreibtisch in dieser Abstellkammer», schmunzelt er, als wir vor dem Büro F 11 stehen.
Mobiliar von Doodle übernommen
Kreativ-chaotische Gründerstimmung! Aber nicht mehr lange. Bereits nach drei Jahren musste «Getyourguide» den Einstein-Trakt der ETH verlassen und im Technopark eine grössere Bleibe suchen. Der Zufall wollte es, dass das Startup Doodle sein Grossraumbüro verliess, um sich an einem anderen Ort in der Stadt niederzulassen. «Wir haben denen das ganze Büromobiliar abgekauft», erinnert sich Rein.
Aber auch das Grossraumbüro platze bald aus allen Nähten, weil «Getyourguide» immer mehr Mitarbeitende hatte. Ein Umzug in die Nähe des Hauptbahnhofs stand an.
Nicht nur bei ihren Büros spielte «Getyourguide» nun in einer höheren Liga, auch finanziell ging es voran. Zum einen durch die Provisions-Einnahmen der Plattform, zum anderen durch Geldgeber. Die grösste Investition tätigte 2019 der japanische Telekommunikations-und Medienkonzern Softbank: Eine halbe Milliarde Franken. Macht eine solche Summe nicht etwas Angst?
«Es geht», sagt Rein. Das alles käme ja nicht «von Null auf 100». Auch bei den Mitarbeitenden. Zuerst kommen ein paar Dutzend dazu, dann ein paar Hundert – und heute seien sie eben auf über 800 angewachsen. «Man wächst da mit». Die Mehrheit der Mitarbeitenden ist in Berlin, um die 700 Personen. Hier hat «Getyourguide» seinen Hauptsitz. Berlin habe für das Plattform-Geschäft die bessere «Strahlkraft» als Zürich, erklärt Tobias Rein. Gerade auch für potenzielle Investoren.
Tobias Rein hat es nicht nach Berlin gezogen. Aufgewachsen in Uster, Kantonsschule in Wetzikon, heutiger Wohnort: Uster. Obwohl er in der Reisebranche arbeitet, ist er kein Mann, der ständig woanders sein muss. Mit der Familie hat er eben eine Woche Campingferien im Tessin verbracht, nun ist er wieder am Programmieren. Mit seinem rund 80-köpfigen Team am Standort Zürich. Wo sie dafür sorgen, dass die Plattform reibungslos läuft und die Benutzer keine Hindernisse haben auf dem Weg zum «Buchen-Knopf».
Denn dieser bringt «Getyourguide» schliesslich Geld. 35 Buchungen waren es zu Zeiten im Technopark – pro Tag. 35 Buchungen sind es derzeit – pro Minute! «Und dennoch liegen wir immer noch nicht am Strand, und zählen unser Geld!» lacht Rein. Vielleicht ja aber immerhin im Strandbad Uster.
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