Es war eine kalte Dezembernacht, «kurz vor Weihnachten», wie Regina Trachsel erzählt. Die damals 9-Jährige lag im Bett mit ihrer Schwester, als ein Mann vor dem Fenster rief, sie sollten fliehen. Es sei keine Zeit geblieben, die richtigen Kleider zu suchen, so die heute 80-jährige Frau. «Ich erwischte die Hose meines Bruders, hatte aber immerhin warm. Meine Schwester zog sich aber die Pantoffeln meiner Mutter über. Diese verlor sie dann auf der Flucht durch den Wald und hatte furchtbar kalt.»
Beim Erzählen erwachen die schrecklichen Bilder
Auf der Flucht traf Regina Trachsel mit ihrer Mutter und den Geschwistern auf eine Frau, die ein kleines Mädchen auf den Armen trug. «Sie weinte fürchterlich», sagt Regina Trachsel. Zwei ihrer Kinder, einen Pflegesohn und die Schwiegermutter, musste sie in den Flammen ihres Hauses zurücklassen. Und doch findet Regina Trachsel, dass es ihr als Neunjährige nicht bewusst gewesen sei, wie schlimm die Katastrophe im Kandertal wirklich war.
Erst später, weil ihre Mutter seit der Dezembernacht an psychischen Problemen litt, und nach Gedenkfeiern, sei ihr das alles wieder hoch gekommen, so die 80-Jährige.
Das Leben nach der Katastrophe
Bereits drei Monate nach der Unglücksnacht durften Regina Trachsel und ihre Familie wieder ins Haus zurück. Die Fenster fehlten und es gab auch andere, kleinere Schäden. Die Trachsels waren privilegiert, viele Familien wohnten in einem Barackendorf. «Es dauerte lange, bis die Häuser wieder aufgebaut waren, die Strom- und Wasserleitungen repariert. Und Blindgänger fanden wir noch Jahre.»
Der Umgang damit war allerdings zum Teil recht salopp. Ihre Mutter habe jeweils mit Pulverstangen, die sie im Garten fand, das Feuer im Ofen angezündet, so Regina Trachsel. Das habe zwar etwas komisch gerochen, aber gut gebrannt.
Das machte jeweils ‹Wusch› und das Feuer brannte.
Vor 30 Jahren kam Regina Trachsel in ihr Elternhaus zurück, zusammen mit ihrem Mann Paul. Als sie das Haus renovierten, fanden sie noch Schäden von 1947. Aber nur bei Gedenkfeiern dachte die heute 80-Jährige an die Explosionsnacht zurück – bis jetzt. Der Bund informierte die Bewohnerinnen und Bewohner von Mitholz vor ein paar Tagen, dass das Risiko für weitere Explosionen im ehemaligen Munitionsdepot doch höher ist als angenommen.
Die grosse Unsicherheit über die Zukunft
Die Truppenunterkunft und die Apotheke der Armee im Fels werden sofort geschlossen. Für die Bevölkerung bestehe aber keine Gefahr. Für Regina Trachsel und ihren Mann Paul ein schlimmer Moment. Alles komme wieder hoch, sagt die 80-Jährige. Ihr sei bewusst, dass jetzt einiges auf sie zukomme. Welche Massnahmen der Bund ergreifen kann, um die Munition im Fels unschädlich zu machen, ist noch nicht klar. Regina Trachsel hofft vor allem auf eines: «dass wir unser Haus nicht wieder verlassen müssen.»
(SRF 1, Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 17:30 Uhr)