Der Klimawandel lässt Extremwetter in der Schweiz häufiger und intensiver werden. Klimaforscherin Sonia Seneviratne sagt, welche Rolle Hurrikane dabei spielen und welche Trends zu erwarten sind.
SRF: Ex-Hurrikane wie «Kirk» verirren sich und treffen auf die Schweiz. Ist das ein neues Phänomen?
Sonia Seneviratne: Auf den ersten Blick wirkt das so. Es ist aus der Forschung aber noch unklar, ob solche Ereignisse die Schweiz nun immer öfter betreffen könnten. Was wir erleben, könnte theoretisch auch ein Ausreisser sein, also ein mehr oder weniger einmaliges Ausscheren und Abweichen vom statistisch Üblichen. Die Datenlage reicht hier noch nicht aus für empirisch abgesicherte Aussagen.
Heisst das, es ist zu früh, Änderungen im Wetter dem Klimawandel zuzuschreiben?
Nein. Gut erforscht ist die Situation für mehrere Extremwetterereignisse in West- und Zentraleuropa. Da zeigt sich klar, dass Hitzeextreme, Starkniederschläge und Trockenheitsereignisse mit zunehmender globaler Erwärmung häufiger und extremer werden. Noch zu wenig Daten haben wir aber zum Einfluss der menschengemachten Klimaerwärmung auf Stürme in Mittelbreiten – also zum Beispiel bei uns in der Schweiz.
Worin könnte sich der Klimawandel beim Wetter in der Schweiz zeigen?
Wenn der Hurrikan «Kirk» dazu führt, dass wir hier intensive Niederschläge haben, dann sehen wir: Der Klimawandel, den wir Menschen verursacht haben, zeigt auch hier seine Folgen – eben jetzt stärkere Niederschläge.
Der Trend bleibt, solange die globale Erwärmung weiter steigt.
Denn wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Damit kann sie auch mehr Feuchtigkeit abgeben, wenn sie sich abkühlt. Dieser Zusammenhang zwischen Klimaerwärmung und dem Wetter hier ist offensichtlich.
Wie gross sind die Schäden, die solche Ereignisse in der Schweiz anrichten können?
Es ist zu früh, um das richtig abschätzen zu können. Eine solche Einschätzung bedingt, dass wir die Entwicklung über längere Zeit gemessen haben und auch die Zusammenhänge im Detail nachweisen können. Dazu fehlen uns zurzeit noch Messdaten. Mit der Zeit werden sich hier aber Trends abzeichnen, die es ermöglichen, die Kosten möglicher Schäden zu beziffern.
Werden Hurrikane als Folge des Klimawandels die Schweiz häufiger treffen?
Es ist momentan unklar, ob dies der Fall ist. Der Forschungsstand dazu lässt aber die folgende Aussage zu: Studien zeigen, dass tropische Wirbelstürme mit zunehmender Erwärmung sich weiter in Richtung zu den Polen bewegen. Wenn das zutrifft, könnten diese Stürme bis zu den Mittelbreiten reichen, also zum Beispiel bis in die Schweiz. Wir brauchen mehr Forschung, um dies genauer zu evaluieren.
Diese Ereignisse werden mit der zunehmenden globalen Erwärmung klar intensiver und häufiger in der Schweiz.
Abgesehen von Hurrikans – welches sind die nächsten extremen Wetterereignisse, welche die Schweiz als Folge des Klimawandels treffen könnten?
Zu diesen Wetterereignissen zählen sehr starke Hitze und Trockenheit einerseits und sehr heftige Niederschläge andererseits – also mehrere Arten von Extremwetterereignissen. Die Schweiz war in den letzten Monaten oft von Starkniederschlägen betroffen. Diese Ereignisse werden mit der zunehmenden globalen Erwärmung klar intensiver und häufiger in der Schweiz. Es ist gut wissenschaftlich etabliert, dass dieser Trend bleiben wird, solange die globale Erwärmung weiter steigt.
Lässt sich die Zunahme der Starkniederschläge beziffern?
Ja, hier haben wir Messdaten und kennen die physikalischen Grundsätze, die eine Aussage zum Zusammenhang von globaler Erwärmung und Wetterereignissen ermöglichen: Die mittlere Zunahme der Intensität der Niederschläge beträgt 7 Prozent pro Grad Erwärmung. Mit der jetzigen globalen Erwärmung, die 1.2 °C beträgt, erwarten wir also Starkniederschlagsereignisse, die etwa 8 Prozent intensiver sind als früher. Einzelne Ereignisse können aber noch stärker beeinflusst werden, wenn spezifische dynamische Bedingungen herrschen.
Das Gespräch führte Noé Perrin.