Wer im Internet Aufmerksamkeit will, benötigt Bilder. Nicht nur soziale Medien oder Fernsehstationen, auch Online-Portale müssen ihre Texte mit Fotos anpreisen, sonst finden sie keine Beachtung.
Doch gerade in Krisengebieten sind oft weder Journalistinnen noch professionelle Fotografen vor Ort. Die einzigen verfügbaren Bilder stammten dann von sozialen Medien, sagt Stefanie Strahm, Leiterin des Netzwerks Faktencheck beim SRF.
Bevor SRF Aufnahmen aus dem Internet publiziert oder sendet, werden sie sorgfältig überprüft, denn viele Fotos und Videos aus den sozialen Medien sind manipuliert oder stammen aus einem anderen Kontext. Dieser Faktencheck ist aufwendig und benötigt viel Erfahrung. Nutzerinnen und Nutzer sozialer Medien sind mit der Einordnung oft überfordert.
Fotos neu mit Lebenslauf
Das soll sich nun ändern. Eine breite Allianz von Medienunternehmen, Kameraherstellern und IT-Firmen hat in den vergangenen Jahren einen neuen Standard für digitale Medien erarbeitet. Geht es nach der Content Authenticity Initiative (CAI), so sollen in Zukunft Fotos oder Videos zusammen mit einer Urkunde angezeigt werden, mit Angaben zur Entstehung eines Bildes und allen Bearbeitungsschritten.
Mit dem kryptographischen Chip stellen wir sicher, dass das, was der Sensor ausliest, das Original ist.
Eine wichtige Rolle spielt dabei ein kryptographischer Chip in der Kamera. Drückt man den Auslöser, signiert der Chip die Daten aus dem Sensor und erstellt eine digitale Geburtsurkunde, den Ausgangspunkt für den Lebenslauf eines Fotos. Damit lässt sich zweifelsfrei nachweisen, aus welcher Kamera ein Bild stammt.
Das deutsche Unternehmen Leica hat Ende letzten Jahres die erste Kamera für Profis auf den Markt gebracht, die Bilder digital signieren kann. Andere Hersteller wie Nikon oder Canon werden schon bald folgen. Und in Zukunft werden auch Smartphones Bilder signieren können – die Chip-Schmiede Qualcomm hat einen entsprechenden Chip angekündigt. Für die Geburtsurkunde aus dem Handy ist also gesorgt.
Bearbeitung dokumentieren
Verändert später ein Redakteur das Foto, so führt die Bildbearbeitungssoftware den Lebenslauf des Bildes nach. Sie beschreibt die Bearbeitung in einem Dokument und hängt es an die Geburtsurkunde an, zusammen mit einer digitalen Signatur.
Bildbearbeitungswerkzeuge von Adobe wie Photoshop oder Lightroom können das bereits. Die Software hält nicht nur Änderungen von Menschen fest, auch Manipulationen durch künstliche Intelligenz werden dokumentiert.
Je mehr der Einzelne eine Chance hat, was er sieht hinterfragen zu können, statt es einfach nur zu konsumieren, desto robuster ist unsere Demokratie.
Zwei Hürden hat der Standard schon genommen: Die Geburtsurkunde erstellen und den Lebenslauf nachführen.
Transparenz schaffen
Jetzt sind die Plattformen gefragt – soziale Medien oder Online-Portale. Sie sollen ihren Nutzerinnen und Nutzern für jedes Bild auf Wunsch den Lebenslauf anzeigen. Auch dafür gibt es bereits Softwarelösungen.
Doch wird sich der neue Standard im Alltag tatsächlich durchsetzen? «Transparenz schaffen bei Inhalten ist extrem wichtig und hat in den letzten Jahren zugenommen», meint Sandro Mühlebach von der Nachrichten- und Bildagentur Keystone-SDA. Er ist überzeugt, dass in Zukunft kein Qualitätsmedium darum herumkomme.
Schon heute ist klar: Nicht jedes Bild wird seine Geschichte lückenlos dokumentieren können. Doch auch fehlende Information sei eine Aussage zum Bild, meint Sandro Mühlebach: Ein Bild ohne Urkunde ist weniger vertrauenswürdig – mit Urkunde wird jede Manipulation transparent.
Wir sind deine Korrespondenten aus der digitalen Welt. Ist ein Chip drin oder hängt es am Internet? Wir berichten wöchentlich. Smartphones, soziale Netzwerke, Computersicherheit oder Games – wir erklären und ordnen Digitalisierungs-Vorgänge ein, seit 2006
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