Zweimal pro Woche fährt ein 15-Jähriger mit der Südostbahn von Sattel nach Pfäffikon (SZ) zur Schule. Er hat dafür eine Mehrfahrtenkarte. Doch an einem Tag im September ist die Mehrfahrtenkarte aufgebraucht, also löst der Schüler das Zugbillett auf seinem Smartphone in der SBB-App. Und dabei passiert ihm ein Fehler: In der App sind nämlich die Login-Daten seiner Mutter hinterlegt und er vergisst, sich selbst als Reisenden zu erfassen. Ein Fehler mit happigen Konsequenzen.
Strafantrag wegen Fahrausweis-Missbrauchs
Wenige Tage nach der besagten Zugfahrt erhält der Jugendliche Post von der SBB. Er habe missbräuchlich einen Fahrausweis benützt und damit gegen das Personenbeförderungsgesetz verstossen. Alles in allem verlangt die SBB dafür im Namen der Südostbahn fast 250 Franken. Und nicht nur das: Sie stellt einen Strafantrag – zeigt den Jungen also bei der Polizei an.
Gegen eine Busse hätte ich vermutlich nicht einmal etwas einzuwenden gehabt. Aber ein Strafantrag?
«Wir sind ziemlich erschrocken», erinnert sich die Mutter. Natürlich habe ihr Sohn einen Fehler gemacht. «Und gegen eine Busse hätte ich vermutlich nicht einmal etwas einzuwenden gehabt. Aber ein Strafantrag?» Das schien der Familie unverhältnismässig, weshalb sie sich beim Kundendienst der SBB meldete. Dort habe man ihr gesagt, sie solle sich einen Jugendanwalt nehmen, wenn sie sich wehren wolle.
«Ich hätte etwas mehr Verständnis für die Situation erwartet», findet die Mutter. Vor allem etwas gebe ihr zu denken: «Hätte mein Sohn an jenem Tag gar kein Ticket gelöst, sondern wäre einfach schwarzgefahren, wäre er mit einem Zuschlag von 90 Franken davongekommen.»
SBB: «Wir bedauern, wie das gelaufen ist»
Da es beim Kundendienst also kein Weiterkommen gibt, meldet sich die Mutter des Jungen beim SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Und jetzt tut sich etwas: «Wir bedauern, wie das gelaufen ist», sagt SBB-Mediensprecherin Sabine Baumgartner. Denn die Mutter habe eigentlich alles richtig gemacht: «Es ist wichtig, dass man sich in so einem Fall so rasch als möglich beim Kundendienst meldet.»
Man habe die Sache nun noch einmal intern geprüft und gehe davon aus, dass es sich hier tatsächlich nicht um einen Missbrauch handle.
Aus diesem Grund haben wir den Strafantrag zurückgezogen und die Busse auf eine Bearbeitungsgebühr von 30 Franken reduziert.
Die SBB betont allerdings, dass das Zugpersonal grundsätzlich korrekt und nach den gesetzlichen Vorgaben gehandelt habe. «Der Missbrauch eines Fahrausweises wird härter bestraft als einfaches Schwarzfahren.»
Weshalb im konkreten Fall der Anruf beim Kundendienst auch keine Lösung brachte, dem wolle man auf den Grund gehen.
Anruf von der Polizei
Ganz so schnell gegessen war die Sache für die Familie dann aber nicht: Trotz der Zusicherung der SBB, dass der Strafantrag zurückgezogen worden sei, habe sich die Polizei gemeldet, erzählt die Mutter. Sie und ihr Sohn hätten eine Aussage machen müssen.
Die SBB bestätigt: Man habe von der zuständigen Kantonspolizei die Rückmeldung erhalten, dass es eine sogenannte Desinteresse-Erklärung brauche. Eine solche sei unterdessen noch abgegeben worden. Die betroffene Familie sollte nun also endgültig Ruhe haben. Hintergrund ist, dass die SBB in solchen Fällen einen Strafantrag auf Fälschung von Ausweisen stellt. Dabei handelt es sich um ein Offizialdelikt, das die Behörden von Amtes wegen verfolgen müssen.