Das 1000-Seelen-Dorf Seewen trägt den See im Namen. Ausser dem «Basler Weiher» gibt es in der Solothurner Gemeinde allerdings kein Gewässer, das grösser ist als ein Swimming-Pool. Wo also ist der See?
Früher hat es durchaus einen richtigen See gegeben, klären die Geschichtsbücher auf. Vor mehreren tausend Jahren ist er entstanden. Nach einem Bergsturz zum Ende der letzten Eiszeit staute sich das Wasser eines Baches. Felsbrocken neben der Strasse zeugen noch heute vom gewaltigen Bergsturz, der das Tal verstopfte.
Mehr als zwei Kilometer lang war der Seewener See, der sich nach dem Bergsturz bildete. Er überflutete in seiner grössten Ausdehnung sogar das Gebiet, wo heute das Dorf liegt. Die Menschen siedelten sich wegen Sees hier an, Seewen war ursprünglich ein Fischerdorf.
Im Jahre 1588 hatten die Seewener jedoch genug von ihrem Gewässer. Vom Fischfang allein konnten sie nicht leben, und im Sommer gab es grosse Mückenplagen. Um Landwirtschaftsland zu gewinnen, legten die Seewener den See trocken. Sie gruben einen 200 Meter langen Tunnel durch den Felskegel des Bergsturzes und liessen das gestaute Wasser abfliessen.
Der Tunnel von 1588 funktionierte allerdings nicht richtig. Er war zu hoch oben. Der See wurde nicht ganz trockengelegt, es entstand ein Sumpf. 1917 wurde deshalb ein neuer Tunnel gebohrt, der Seebach kanalisiert und in den Feldern ein Entwässerungssystem installiert.
Viele Seewener wünschen sich den See zurück. Das hat eine Umfrage ergeben, die vor 15 Jahren durchgeführt wurde. 67 Prozent der Bevölkerung sagten, man solle den See wieder anstauen. Dass dies grundsätzlich möglich wäre, zeigen mehrere Studien. Einfach werde es aber nicht, betont Franz Baumann. Er ist Mitglied der Arbeitsgruppe Tourismus des Forums Schwarzbubenland, das die Idee eines neuen Sees promotet.
An der Gewerbeausstellung 2012 hat das Forum Postkarten verteilt mit einer Visualisierung, wie der See aussehen könnte. Ideen wie eine Badi oder ein Bootsverleih wurden gesponnen. Heute ist Franz Baumann aber vorsichtig. So gross wie auf der Postkarte solle der See sicher nicht werden. Er wünscht sich einen kleinen See mit sanftem Tourismus, keine Horden von Ausflüglern, keine sonntäglichen Blechlawinen.
Noch sind viele Fragen offen. Ob der Boden wirklich genug dicht ist, um einen neuen See zu bilden, müssten Bohrungen zeigen. Und schon nur die Finanzierung dieser Bohrungen könnte die Träume platzen lassen. Noch ist ein neuer See also nur eine Vision.
Im Dorf sind die Meinungen heute geteilt. Die einen wünschen sich einen See als attraktives Naherholungsgebiet zum baden oder spazieren. Andere sprechen von einer nicht finanzierbaren «Schnapsidee». Bis ein See irgendwann vielleicht mal Realität wird, dürfte also noch viel Wasser den Seebach hinabfliessen.