Schnäuzer, blutunterlaufene Augen, ein Gesichtsausdruck, irgendwo zwischen Morddrohung und Grabesrede: Serien wie «Narcos» kultivieren das testosterongeschwängerte Bild der Drogenbosse aus Lateinamerika. Und die realen Vorbilder wie «El Chapo» oder Pablo Escobar stehen ihnen in nichts nach: Sie selbst haben das Bild des toughen Kartellbosses bewusst gepflegt.
Frauen scheinen in dem Geschäft kaum eine Rolle zu spielen. Doch das ist ein Trugschluss: Denn die «Narco Queens» (dt. «Drogenköniginnen») sind im Aufstieg begriffen. Häufig stehen sie an der Seite eines Drogenbosses – aber nicht nur. Und sie werden immer zahlreicher.
Der Aufstieg der Drogenbaroninnen
Auch die Unterhaltungsindustrie hat sie für sich entdeckt. Berühmte TV-Serien in Lateinamerika rücken die Drogenköniginnen in den Mittelpunkt, so etwa die erfolgreichste Telenovela aller Zeiten in Kolumbien: «Sin tetas no hay paraíso» (dt: «Ohne Brüste gibt es kein Paradies»).
«Und das ist kein Titel auf metaphorischer Ebene», sagt SRF-Korrespondent David Karasek. Die Frauen an der Seite rivalisierender Kartellbosse sind durchgestylt und haben zahlreiche Schönheits-OPs hinter sich. Am eigentlichen Geschäft sind sie aber nicht beteiligt.
Das hat sich allerdings geändert – nicht nur in der Fiktion. «Die Emanzipation erreicht auch das organisierte Verbrechen. Laut Expertinnen und Experten übernehmen in Kartellen in Mexiko und Kolumbien Frauen die Kontrolle.» In vielen Fällen wachsen sie allmählich in die Rolle hinein, nachdem ihre Männer und Söhne festgenommen wurden oder bei blutigen Machtkämpfen umkamen.
Ein prominentes Beispiel ist Kolumbien. Dort haben sich die Regierung und die Farc-Guerilla vor fünf Jahren auf einen Friedensvertrag geeinigt. Seither gilt der Kampf gegen die Drogenkartelle als Regierungsauftrag – Aktionen gegen die Anführer der Clans häufen sich. «Schwestern, Mütter und Töchter müssen dann ihre Jobs übernehmen», so Karasek.
Eine der bekanntesten Narco Queens ist «La Flaca». Sie ist die Frau von Kolumbiens einst meistgesuchtem Drogenboss, der im letzten Jahr gefasst wurde: Dairo Antonio Úsuga, besser bekannt als Otoniel. In Otoniels Clan waren die Frauen auf höchster Stufe aktiv, so auch Blanca Senobia Madrid Benjumea. «Sie hatte eine strategische Rolle innerhalb der Organisation und war für das Geldwaschen zuständig», so Karasek. Nun sitzt sie in einem Frauengefängnis in der Nähe von Cali.
Die Drogenkartelle in Lateinamerika sind berüchtigt. Jährlich sind sie für den Tod abertausender Menschen verantwortlich. 2019 gab es nach offiziellen Angaben allein in Mexiko 35’588 Morde – die meisten davon im Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen.
Es gibt jetzt mehr Narco Queens. Was es aber vor allem braucht, sind mehr Politikerinnen, Polizistinnen, Richterinnen oder Anwältinnen.
Ihren Anteil daran haben auch die Narco Queens. «Aus Studien weiss man, dass die Frauen nicht weniger brutal sind als die Männer», so der SRF-Korrespondent. Frauen übernehmen auch zunehmend Positionen im mittleren Management der Kartelle: Von der Logistik über die Buchhaltung bis zur Geldwäsche.
In anderen Gesellschaftsbereichen haben Frauen aber nach wie vor nur bedingt Mitspracherecht. In Kolumbien stehen zwar immer mehr Frauen an der Spitze von Drogen-Clans. Im Parlament in Bogotá sind aber nur 20 Prozent der Abgeordneten Frauen.
«Südamerika gilt immer noch als Biotop der Macho-Kultur», schliesst Karasek. «Es gibt jetzt mehr Narco Queens. Was es aber vor allem braucht, sind mehr Politikerinnen, Polizistinnen, Richterinnen oder Anwältinnen.»
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