Der 21-jährige Australier Josh Cavallo, momentan der einzige aktive Fussballprofi weltweit, steht offen zu seiner sexuellen Orientierung. Ende Oktober hat er sich auf Instagram geoutet. Das Video habe ihn extrem berührt, sagt der Franzose Ouissem Belgacem, der seine Karriere als Fussballprofi wegen seiner Homosexualität vor 13 Jahren beendet hat.
Er hätte damals alles dafür gegeben, ein Vorbild zu haben wie Josh Cavallo. Einer, der hin steht und sagt: Schwul sein und Fussballspielen, das ist kein Problem. Heute, als 33-Jähriger, will er anderen Jugendlichen ein Vorbild sein. Dazu hat er seine persönliche Geschichte aufgeschrieben. Sie kam diesen Frühling als Buch heraus. «Adieu ma honte» heisst die Autobiografie, frei übersetzt «Lebe wohl, Scham».
Ouissem Belgacem kommt 1988 auf die Welt, in einem Vorort der südfranzösischen Stadt Aix-en-Provence. Ouissems Eltern sind aus Tunesien nach Frankreich gekommen. Die Religion, der Islam, hat einen hohen Stellenwert. Und auf dem Fussballplatz gilt das Recht des Stärkeren. Schwul sein in einem solchen Umfeld? Besser nicht.
Mit etwa acht Jahren habe er gemerkt, dass er immer nur an Jungs denke. Aber schwul zu sein – in seinem Quartier, dem religiösen Umfeld und im Fussball – das sei das Letzte, was man sich wünsche, erzählt er.
Therapien und Gebete halfen nicht
Damals habe er nur zwei Dinge gewollt: Fussballprofi werden, und auf keinen Fall schwul sein. Er sei damals überzeugt gewesen, er könne seine Sexualität ändern. Er habe Psychologen besucht, gebetet, sei sogar drei Jahre mit einem Mädchen zusammen gewesen. Nichts habe funktioniert.
Gleichzeitig läuft es bei ihm, was den Fussball angeht, sehr gut. Mit 13 Jahren kommt er zur Jugendakademie des FC Toulouse. Mit 19 nimmt er für Tunesien am Afrika-Cup teil. Mit 20 zieht es ihn dann in die USA, zu den Colorado Rapids in der obersten amerikanischen Fussballliga.
Wenn du jetzt Profi wirst, musst du noch einmal 15 Jahre lang dich selber und alle anderen anlügen.
Dort habe er sich überlegt: «Wenn du jetzt Profi wirst, musst du noch einmal 15 Jahre lang dich selber und alle anderen anlügen.» Doch die psychische Belastung sei zu gross gewesen, er habe die Freude am Fussball verloren und sich gegen eine Profikarriere entschieden.
Für Ouissem Belgacem ist klar: «Der Fussball ist ein feindliches Umfeld für Homosexuelle.» Nie während seiner Zeit als Spieler seien positive Begriffe in diesem Zusammenhang gefallen. «Wenn ein Spieler seinen Gegner beleidigen wolle, beschimpfe er ihn als ‹dreckige Schwuchtel›.»
Aber auch in der Garderobe sei es nicht besser gewesen. Selbst der Coach habe seine Spieler regelmässig mit den Worten motiviert: «Ihr seid doch nicht schwul, seid keine Schwuchteln, bewegt euren Arsch!»
Spielabbruch bei Zwischenrufen
Ganz zu schweigen von vielen Fans, die homophobe Beleidigungen aufs Spielfeld schreien würden. Ouissem Belgacem würde es deshalb begrüssen, wenn Schiedsrichter in Frankreich die Möglichkeit hätten, ein Spiel abzubrechen, sobald sich Fans homophob äussern. Bei rassistischen Äusserungen würde das ja bereits heute so gemacht.
Aus Ouissem Belgacems Profikarriere wurde nichts, stattdessen führt er heute ein Unternehmen mit mehreren Angestellten, die aktive Profis coachen, damit sich diese auch neben dem Spielfeld weiterentwickeln können – auch für die Karriere nach dem Fussball. Und er spricht mit den Jugendabteilungen von Teams der obersten französischen Liga. Dabei versucht er, die jungen Talente – viele haben einen Migrationshintergrund wie er – für das Thema Homosexualität im Sport zu sensibilisieren.
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