Der Wirbel war gross nach der Übernahme des Energiegeschäfts von Alstom durch General Electric. Der neue Besitzer kündigte Umstrukturierungen an, die Rede war von bis zu 1300 Stellen, die verloren gehen könnten.
Doch es kam weniger schlimm als befürchtet. Ca. 900 Stellen wurden in gewissen Abteilungen gestrichen. In anderen Bereichen baut der US-Konzern aber auch Stellen auf. Gesucht sind zum Beispiel Spezialisten, die in Birr die neuen 3-D-Drucker bedienen können.
«Es gibt zwei Teile, die wir nur in Birr produzieren für die Gasturbinen von GE. Wir machen Teile für die Kraftwerke in der Welt», sagte Steven Hartmann, Chief Technology Officer von GE Schweiz in Brugg.
Das Erstaunliche an diesen Teilen: Sie halten Temperaturen aus, bei denen sie eigentlich schmelzen müssten. Doch dank den Hightech-Produktionsverfahren von GE halten sie den Feuersturm im Inneren einer Gasturbine aus und machen diese Maschinen noch effizienter.
Kein Einzelfall im Aargau
«Reindustrialisierung mit Hightech-Unternehmen», so lautete die Überschrift der Veranstaltung in Brugg, organisiert vom Hightech-Zentrum Aargau. Wie üblich an solchen Veranstaltungen, wurden Best-Practice-Beispiele vorgestellt, also Firmen, die sich im Wettbewerb überdurchschnittlich gut behaupten können.
Ein solches Beispiel ist Omya aus Oftingen, ein Familienbetrieb; Zahlen gibt das Unternehmen nie heraus. Auch in der Medienarbeit übt die Firma allergrösste Zurückhaltung. Umso erstaunlicher die Fakten, die Stefan Lander, Vice President Consumer Goods von Omya International AG, an der Tagung des Hightechzentrums Aargau in Brugg präsentierte:
- Hauptsitz ist Oftringen
- Beschäftigte in Oftringen: 600
- Beschäftigte weltweit: 8000
- Umsatz: 3,5 Milliarden Franken
Lander kündigte an, dass Omya die Forschung und Entwicklung in Oftringen intensivieren werde. Dazu suche man Personal. Auch die Laborkapazitäten baue man aus. Und die Marketing- und Verkaufsabteilung stocke man gegenwärtig auf.
In Oftringen entstehen also neue Arbeitsplätze. Keine Spur von Deindustrialisierung bei der so verschwiegenen Omya. Die Firma ist laut ihrer Internetseite der «führende Anbieter von Industriemineralien auf der Basis von Calciumcarbonat». Mit dieser Beschreibung kann der Laie wenig anfangen.
Der David wird zu Babywindeln
Calciumcarbonat ist nichts anderes als Kreide, Kalkstein oder Marmor. Omya ist zum Beispiel dankbarer Abnehmer der Abfallprodukte, die im weltbekannten Marmor-Steinbruch von Carrara entstehen.
Omya mahlt Marmor, Kreide und Kalkstein sodann zu extrem kleinen Teilen im Mikrobereich. Aber das Mahlen ist nur ein Teil des Verarbeitungsprozesses. Omya hat Verfahren entwickelt, mit der sie die Oberfläche der winzigen Calciumcarbonat-Teilchen verändern kann, sie kann die Morphologie, also das Aussehen der Teilchen bestimmen.
Unter dem Elektronenmikroskop sehen die Teilchen dann aus wie Rosenblüten, Golfbälle oder Gehirne. Und je nach der Beschaffenheit ihrer Oberfläche haben die Teilchen dann auch andere physikalische Eigenschaften.
Dank Omya sind zum Beispiel Windeln wasserdicht und doch dampfdurchlässig. Das heisst, das Baby bleibt zwar trocken, schwitzt aber nicht. Oder Papier bleibt dank Calciumcarbonat-Beimischung von Omya schön stabil.
Die Anwendungsbereiche sind fast unendlich: Ob Zahnpasta, Makeup, Fensterrahmen aus Plastik, Futter für Hühner oder Cornflakes für Menschen – fast überall stecken Omya-Produkte drin. Experten wissen das. Der durchschnittliche Konsument allerdings hat keine Ahnung, wo und wann er Produkte des sehr erfolgreichen und sehr unbekannten Aargauer Weltkonzerns um sich hat.