«Das kann doch nicht sein!», dachte die Frau, als sie von ihrer bisherigen Arztpraxis ihre Krankengeschichte verlangte. Sie hat die Ärztin gewechselt und wollte der neuen Praxis die Dokumentation übergeben. Die frühere Arztpraxis verlangte von der Patientin jedoch eine Unterschrift, dass sie auf jegliche Schadenersatzansprüche verzichte.
Originaltext: «Ich verzichte auf sämtliche Ansprüche aus dem Behandlungsverhältnis, insbesondere auf Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche wegen allfälliger Behandlungsfehler.» Die Frau beschwerte sich bei der Praxisassistenz. Ihr wurde jedoch gesagt, dass diese Formulierung in dieser Praxis Standard sei, wenn jemand die Krankengeschichte wolle.
Das ist nicht statthaft. Patientinnen und Patienten können ihre Krankengeschichte jederzeit voraussetzungslos verlangen.
Bedingungen stellen für die Herausgabe der Krankengeschichte? Geht nicht, sagt Hugo Wyler, Kommunikationsleiter des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten: «Das ist nicht statthaft. Patientinnen und Patienten können ihre Krankengeschichte jederzeit voraussetzungslos verlangen.» Das ist im Datenschutzgesetz so geregelt.
Eine solche Verzichtserklärung auf jegliche Ansprüche aus Behandlungsfehlern wäre vor Gericht aber sowieso wertlos, sagt Charlotte Schweizer, Kommunikationsleiterin der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH: «Rechtlich hat das keine Relevanz, weil Ärztinnen und Ärzte haftbar sind für allfällige Behandlungsfehler.» Gerichtlich könne eine solche Verzichtserklärung daher nicht durchgesetzt werden.
Das war ein keinesfalls meine Absicht.
Das SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» konfrontiert die betroffene Zürcher Arztpraxis mit diesen Aussagen. Die Ärztin fällt aus allen Wolken und entschuldigt sich. Sie sei aus dem Ausland gekommen, als sie die Praxis übernommen habe. Sie habe nach einer Bestätigung für die Herausgabe von Krankengeschichten gesucht und das fragliche Dokument von einem Berufskollegen mit eigener Praxis übernommen: «Ich habe unkritisch einem Dokument Vertrauen geschenkt, das mir von einem Kollegen überreicht wurde. Es war ein Fehler, das Dokument damals ‹blind› zu übernehmen.»
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Sie bedaure, ein Schreiben übernommen zu haben, welches «unpassende Elemente wie eine Verzichtserklärung» beinhalte. Das Dokument habe sie bereits angepasst.
Sie sei froh, dass eine kritische Patientin den Fehler aufgedeckt habe. Dazu, dass eine solche Erklärung vor Gericht wertlos wäre, meint die Ärztin: «Ich bin erleichtert zu lesen, dass die Verzichtserklärung im Zusammenhang mit einem möglichen, rechtlichen Fall nichtig wäre. Somit wurde kein Recht der Patientinnen verletzt: Dies war keinesfalls meine Absicht.»