Es sind herzzerreissende Bilder: Ein Reh hat sich in einem Viehhüter verheddert. Es zappelt und strampelt. Eine Männerstimme – wohl der Filmer – kommentiert die Bilder. Zusammen mit einem Kollegen befreit er dann das Reh aus seiner misslichen Lage. Es springt eilig davon und verschwindet irgendwo im Gebüsch. Das Video wurde zigfach angeschaut, geliked, geteilt – viele haben ihren bewundernden Kommentar darunter gesetzt, um den vermeintlichen Rettern für ihren Einsatz zu danken. Einzelne Kommentatoren äussern jedoch Zweifel: «Das ist doch inszeniert.»
Echtheit ist schwierig zu erkennen
Ob das gerettete Reh tatsächlich von allein in die lebensbedrohliche Situation gekommen ist, lässt sich nicht eruieren. Vieles spricht aber dafür, dass die «Retter» selbst das Tier derart in den Viehhüter verwickelt haben: Weshalb nimmt sich der Filmer angesichts der Lage des Tiers so viel Zeit, um alles mit Kamera festzuhalten? Weshalb wird aus verschiedenen Perspektiven gefilmt? Weshalb kommentiert er während der Rettung sehr eloquent, was er tut?
«Das sind alles Anzeichen dafür, dass das Video inszeniert ist», sagt Sarah Ross von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. Solche gefälschten Videos seien mit dem Erfolg sozialer Medien zusehends zum Problem geworden. In der Regel gehe es dabei um möglichst viele Klicks – denn diese spülten dank der vorgeschalteten Werbung Geld in die Kasse der Macher.
Tierschützer kritisieren soziale Medien
Tierschutzorganisationen sagen, Plattformen wie Facebook, YouTube oder Tiktok würden zu wenig gegen gefälschte Tierrettungsvideos unternehmen. So kritisiert etwa Asia for Animals, ein Zusammenschluss mehrerer asiatischer Tierschutzorganisationen, in ihrem jüngsten Social-Media-Report, die Plattformen reagierten nicht schnell genug, wenn ihnen gefälschte Videos gemeldet würden. Und die internationale Tierschutzorganisation World Animal Protection fordert von den Plattformen mehr Engagement, damit solche Videos gar nicht erst hochgeladen werden können.
Tierschützerin Sarah Ross von Vier Pfoten stellt immerhin fest, dass die Plattformen durchaus zügig reagieren können: «Es kommt darauf an, wie eindeutig die Inszenierung ist. Ich habe aber schon viele Fälle erlebt, in denen ein Video innerhalb weniger Stunden nach der Meldung von der Plattform verschwunden war.»
Plattformen verweisen auf ihre Richtlinien
Das SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» wollte von den Plattformen wissen, was sie zur Kritik sagen, zu wenig gegen die Verbreitung inszenierter Tierrettungen zu unternehmen. Von Facebook heisst es dazu: «Wir verbieten jedem, auf Facebook Inhalte zu teilen, bei denen Tiere verletzt, Gewalt an Tieren verherrlicht oder Tierleid zelebriert wird.» Zudem verweist das Unternehmen auf seine Richtlinie, wonach Inhalte in welchen Menschen Tiere missbrauchen, verboten seien. Und auch die zu Google gehörende Plattform Youtube verweist auf die eigenen Richtlinien. In diesen steht, dass «Inhalte, die eine inszenierte Tierrettung zeigen, bei der das Tierwohl gefährdet wird», verboten seien.
Die Plattformen geben an, dass sie bei der Bekämpfung solcher Inhalte einerseits auf die Meldungen von Nutzerinnen und Nutzern eingehen würden, andererseits spielten auch Mechanismen künstlicher Intelligenz. Wobei letztere bei inszenierten Tierrettungen nur bedingt funktioniert. Wo Nuancen und Kontext wichtig seien, würden denn auch Mitarbeitende zum Einsatz kommen, heisst es dazu von Facebook.